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Protestkundgebung gegen Amnesty International UK Bericht zu Israel in Berlin am 1.02.2022


Bereits vor Veröffentlichung schlug der Bericht hohe Wellen: Als bekannt wurde, dass der Ableger des Vereinigten Königreichs der weltweiten Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem neuen Bericht Israel als Apartheidssystem bezeichnen würde, reagierten große Teile der Öffentlichkeit empört. Der Bericht mit dem Titel “Israel’s Apartheid Against Palestinians – Cruel System of Domination and Crime Against Humanity” wurde am 1. Februar 2022 veröffentlicht.


Darin wird Israel zum Vorwurf gemacht, das Land habe das internationale Unrecht der Apartheid begangen. Weiter heißt es, dass an diesem Unrecht beinahe die “gesamte zivile Verwaltung Israels und seine Militärbehörden” beteiligt seien. An anderer Stelle wird die Behauptung aufgestellt, Israel verfolge “seit 1948 das Ziel, das Apartheidssystem durchzusetzen”. [1]


Durch die von Amnesty International UK getätigten Schilderungen und die damit verbundene pauschale Einordnung als “Apartheid-Systems” erfolgt eine Delegitimierung und Dämonisierung Israels. In Reaktion auf die Veröffentlichung versammelten sich am gestrigen Abend trotz anhaltenden Regens insgesamt ca. 50 Personen vor der Amnesty International Zentrale in Berlin. Dazu aufgerufen hatte die Jüdische Studierendunion Deutschland (JSUD).


Kundgebung vor der Amnesty-Deutschland-Zentrale: "Dieser Bericht ist ein Brandbeschleuniger für Judenhass"

Nach einer Begrüßung durch Anna Staroselski, Präsidentin der JSUD, äußerten sich verschiedene Vertreter:innen von jüdischen Organisationen zum Bericht von Amnesty International UK und verurteilten die damit verbundene Diffamierung Israels. “Es ist absolut nicht hinnehmbar”, so Staroselski in ihrer Rede, “dass Antisemitismus in Deutschland legitimiert wird, das dürfen wir so nicht stehen lassen”.


Zunächst sprach Lars Umanski, Vizepräsident der JSUD. "Dass Amnesty International UK”, so Umanski, "dem demokratischen und einzigen jüdischen Staat, Israel, der ethnischen Säuberung bezichtigt, ist alarmierend und neu. Dass sich eine vermeintliche Menschenrechtsorganisation der Sprache bedient, die wir bis vor kurzem nur von Terroristen wie der Hamas oder der Hisbollah oder Unrechtsregimen wie dem Iran gewohnt waren, genau das ist der Antisemitismus, der mir gerade am meisten Sorgen bereitet und immer mehr in die Mitte der Gesellschaft findet.” Den Bericht bezeichnete er als Einfallstor für Antisemitismus. Von Amnesty International Deutschland forderte er eine Distanzierung.


Volker Beck, CEO des Tikvah Instituts, warf Amnesty International UK eine einseitige Darstellung des Nahostkonflikts vor, die nicht das ganze Bild wiedergebe. Der Bericht sei eine “Diffamierung des jüdischen und demokratischen Staates”. “Kein Staat ist perfekt, Israel ist kein heiliger Staat, er ist fehlbar”, betonte Beck. Entscheidend sei aber, dass es dabei nicht bleibt, dass Behörden problematischen Vorfällen nachgehen - und dabei habe Israel wirklich nicht die Belehrung aus England oder Deutschland verdient. Amnesty International forderte er auf, sich mit internem Antisemitismus auseinanderzusetzen, der mit diesem Bericht ans Tageslicht geraten sei.


Leonard Kaminski (Werteinitiative e.V.) betonte, dass dieser Bericht Folgen für Jüdinnen und Juden in Deutschland haben werde. Mehr Menschen werden Israel als “das Böse” wahrnehmen und daher auch jüdische Menschen als “böse”, da Israel und Judentum oftmals antisemitisch in eins gesetzt würden. “Die Worte in diesem Bericht schüren Hass”. Kaminski erklärte, dass der Bericht Antisemitismus normalisiere und Angriffe auf jüdische Menschen begünstige: “Dieser Bericht ist ein Brandbeschleuniger für den Judenhass”. Weiterhin führt Kaminski aus: “Wer Israel Apartheid vorwirft, der kann nur ein Ziel haben: Israel zu delegitimieren und zu dämonisieren. Das gleiche Ziel verfolgt Amnesty International UK, wenn es Israel Verbrechen gegen die Menschheit vorwirft. Es werden hier also Verbrechen wie die Shoa, der Genozid an den Amenierinnen und Armeniern und der Völkermord in Ruanda aufgerufen, um Israel nochmals zu dämonisieren und zu delegitimieren.” Auch Kaminski forderte Amnesty Deutschland zu einer Distanzierung auf.

Leonard Kaminski, Werteinitiative e.V.

Aras-Nathan Keul (Bundesvorsitzender Junges Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft) erklärte in einer anschließenden Rede: “Mit der Realität in Israel hat dieser Bericht wenig zu tun. Zu behaupten, Israel sei ein Apartheidsstaat, ist keine Kritik - das ist eine Lüge, und eine antisemitische noch dazu”.


Sigmount Königsberg (Beauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegen Antisemitismus) ergänzte: “Amnesty UK spricht dem jüdischen Volk sein Selbstbestimmungsrecht ab. Wenn das nicht Antisemitismus ist - was dann?”

Die Realitätsblindheit des Apartheidvorwurfs: Warum der Amnesty-Bericht Antisemitismus normalisiert

Der Vorwurf eines vermeintlichen israelischen Apartheidsregimes ist wahrlich kein neuer. Auch andere Institutionen wie Humans Right Watch veröffentlichten in der Vergangenheit Berichte, die ähnliche de-realisierende Behauptungen aufstellten.

Im Bericht heißt es unter anderem: “A regime of oppression and domination can best be understood as the systematic, prolonged and cruel discrimination treatment by one racial group of members of another with the intention to control the second racial group” (S.13). Demzufolge wird Apartheid hier als ein Regime der Unterdrückung bzw. Beherrschung betrachtet, durch das eine Kontrolle einer Gruppe (“racial group”) durch eine andere Gruppe stattfinde.


Diese Definition auf den Staat Israel anzuwenden ist nicht nur skurril und abwegig: Sie ist auch schlicht und ergreifend faktisch falsch. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, eine liberale, multikulturelle Demokratie, die es allen Mitbürger:innen ermöglicht, an demokratischen Prozessen und Strukturen teilzuhaben und sie aktiv mitzugestalten. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel des “Kernstücks” dieser Demokratie, nämlich der aktuellen israelischen Regierung, in der allein zwei Minister arabischer Parteien vertreten sind. Knapp 20% der israelischen Bevölkerung sind arabische Israelis - sie arbeiten in allen Berufsfeldern, die es in Israel gibt, sind Ärzt:innen, Richter:innen, Professor:innen. Sie sind entweder zionistisch oder antizionistisch, progressiv oder konservativ, kurzum: sie repräsentieren die Meinungsvielfalt der Demokratie Israels genau so, wie es jede:r andere Bewohner:in des Landes tut. Unter einem Apartheidssystem nach südafrikanischem Vorbild dürften arabische Israelis nicht an Wahlen teilnehmen, in Israel können sie das. Sie können zur Schule gehen, Universitätsabschlüsse erlangen, ein- und ausreisen.


Dass es in Israel tatsächlich zu rassistischer Diskriminierung kommen kann, ist richtig und bedauerlich - das trifft jedoch auch leider auf jedes andere Land der Welt zu. In Deutschland würde aber niemand auf die Idee kommen, aufgrund von rassistischer Diskriminierung gegenüber bestimmten Menschengruppen von einem Apartheidsregime zu sprechen, in der rassistische Diskriminierung systematisch ausgeübt würde und gesetzlich verankert wäre. Rassistische Diskriminierung kann systemisch und strukturell bedingt sein, aber das ist nicht dasselbe wie “systematische Diskriminierung”, der ein Vorsatz innewohnt.


Kaum ein Wort verloren wird im Bericht über die islamistische Bedrohung durch Organisationen wie Hamas, der sich Israel tagtäglich ausgesetzt sieht. Es wird nicht erwähnt, dass Angriffe aus Gaza die israelische Zivilbevölkerung zum Ziel haben und daher als terroristisch eingestuft werden müssen. Gegen diesen Terrorismus hat Israel ein unbestreitbares Selbstverteidigungsrecht. Der so genannte Nahostkonflikt kann nur verstanden werden, wenn israelbezogener Antisemitismus und immer wiederkehrende konkrete Vernichtungsdrohungen seitens arabischer Länder und Politiker ernst genommen werden.


Um es nochmals zu betonen: Israel ist kein Apartheidsstaat, Israel betreibt auch keine ethnischen Säuberungsaktionen. Die Reden auf der JSUD-Kundgebung unterstrichen entschieden, aber auch besorgt, dass der Bericht Antisemitismus reproduziert und normalisiert. Indem, wie Volker Beck es ausgeführt hat, mindestens die Hälfte dessen, was vor Ort passiert, ausgeklammert wird, schafft der Bericht falsche Tatsachen und suggeriert das Bild eines alleinige, bösartigen, kriegstreibenden Aggressors. Dass diese Vorstellung anschlussfähig für Antisemitismus ist, wäre noch untertrieben: Sie ist bereits antisemitisch.


Die antisemitischen "Kritiker:innen" Israels mögen sich durch den Bericht bestärkt sehen. Und neben aller Empörung ist das für Jüdinnen und Juden in Deutschland vor allem eins: Beängstigend. Denn auch israelbezogener Antisemitismus ist immer ganz konkret gegen Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt gerichtet, weil man sie mit dem jüdischen Staat in eins setzt.


Verweise

[1] https://www.welt.de/politik/ausland/article236599243/Amnesty-International-Bericht-Dies-zielt-letztlich-auf-die-Abschaffung-des-juedischen-Staates-Israel.html)

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