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Antisemitismus als Prüfungsleistung?

  • JFDA
  • vor 5 Tagen
  • 10 Min. Lesezeit

Integration des israelfeindlichen Aktivismus in den Lehrbetrieb der Alice Salomon Hochschule Berlin


Im April 2025 fand an der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin eine Veranstaltung mit dem Titel "Welche Pädagogik in Zeiten des Genozids?" statt. Organisiert von einer israelfeindlichen Aktivistengruppe und beworben vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), war die Veranstaltung als Teil der "Kritischen Orientierungstage" angekündigt. Sie stieß aufgrund ihrer Ausrichtung und der Auswahl der Referenten auf erhebliche Kritik. Besonders problematisch ist die Anerkennung der Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung als Prüfungsleistung im Rahmen einer regulären Lehrveranstaltung. Dieser Vorgang wirft Fragen zur Verantwortung der Hochschulleitung sowie zur Abgrenzung von akademischem Betrieb und israelfeindlichem Aktivismus auf.


Besetzung der Alice Salomon Hochschule am 06. Januar 2025
Besetzung der Alice Salomon Hochschule am 06. Januar 2025

Am 16. April 2025 wurde an der Alice Salomon Hochschule Berlin eine Paneldiskussion mit dem Titel "Welche Pädagogik in der Zeit des Genozids?" durchgeführt. Als Veranstalter trat die Aktivistengruppe notinourname_ash auf, die sich nach eigenen Angaben "für das Ende des Genozids und der Besatzung in Palästina" sowie "gegen das israelische Apartheidsregime" einsetzt und Hochschulen eine "Mitschuld und Mitverantwortung" zuschreibt.

In einem Social-Media-Post vom 11. April 2025 lud die Gruppe zu der Veranstaltung ein und nannte als geladene Referenten Dr. Qassem Massri, Oberarzt für Kinder- und Jugendmedizin, sowie Udi Raz. Als Veranstaltungsort wurde die ASH angegeben, die Diskussion zudem als Teil der "Kritischen Orientierungstage" beworben. Am 14. April 2025 bewarb auch das Referat für Öffentlichkeitsarbeit des AStA der ASH die Veranstaltung über den studentischen Mailverteiler. In der E-Mail wurde die Ausrichtung der Gruppe notinourname_ash mit der Passage gerechtfertigt: "Gerade Studierende unserer Hochschule haben immer auch eine politische Arbeit zu leisten und sich für unterdrückte Menschen weltweit einzusetzen."


Kritik an den eingeladenen Referenten

Die Auswahl der Referenten stieß bereits im Vorfeld der Veranstaltung auf deutliche Kritik innerhalb der Hochschule. Die antisemitismuskritische Hochschulgruppe tacheles.ash problematisierte die Hintergründe beider angekündigten Gäste: Udi Raz ist Vorstandsmitglied des Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost, der eine wichtige Rolle in der Organisation israelfeindlicher Protestaktionen einnehme. Dem Verein wurde von tacheles.ash eine Nähe zur antisemitischen BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) sowie die Verklärung von islamistischem Terror zu legitimem Widerstand vorgeworfen. Raz arbeite mit Medien zusammen, die laut tacheles.ash ein antiisraelisches bis antisemitisches Profil aufwiesen, wie TRT, Al Jazeera und Middle East Eye. Auch der Verfassungsschutz bewertet den Verein inzwischen als "gesichert extremistische Bestrebung" innerhalb des "säkularen propalästinensischen Extremismus".

Außerdem kritisierte ein Student in einer E-Mail an die Hochschulleitung die Einladung von Udi Raz als potenzielle Instrumentalisierung. Raz werde häufig als "Alibi-Figur" genutzt, sei nicht repräsentativ für mehrheitliche jüdische Stimmen und sei 2023 vom Jüdischen Museum Berlin entlassen worden, weil Raz Israel als "Apartheidstaat" bezeichnet habe.

Qassem Massri wurde von tacheles.ash als Aktivist von Palästina Spricht identifiziert, einer Gruppierung, die führend in der Organisation israelfeindlicher Proteste sei. Im Rahmen von deren Veranstaltungen komme es regelmäßig zu antisemitischen und terrorverherrlichenden Aussagen, die Massri im Nachgang wiederholt relativiere. Palästina Spricht stehe ebenfalls der BDS-Bewegung nahe sowie der verbotenen Gruppe Samidoun und verharmlose islamistischen Terror. Auch diese Gruppierung wird vom Verfassungsschutz als "gesichert extremistische Bestrebung" eingestuft.


Kritik an Inhalten der Veranstaltung

Auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung wurde Kritik an der Veranstaltung geübt. In mehreren E-Mails an die Hochschulleitung wurde dem AStA vorgeworfen, durch die Veranstaltung und deren Ankündigung über den studentischen Verteiler antisemitische Inhalte zu verbreiten. Konkret beanstandet wurden unter anderem die Verwendung der Begriffe "Genozid" und "Apartheid" zur Beschreibung Israels, die als Form der Dämonisierung verstanden wurden, sowie die Forderung nach der "Befreiung Palästinas", die in diesem Kontext als Delegitimierung des jüdischen Staates gewertet werden könne. Die Kritik verwies dabei auf Passagen der Veranstaltungsankündigung, die nach der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als antisemitisch einzustufen seien.

Laut dieser Definition gelten etwa "Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten" oder das "Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung" – etwa durch die "Behauptung, die Existenz Israels sei ein rassistisches Unterfangen" – als Beispiele für Antisemitismus. Nach Einschätzung der Antisemitismusforscherin Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel trifft dies zweifelsfrei auf die wiederholt geäußerten Behauptungen zu, Israel sei ein Apartheidsregime oder begehe einen Genozid, da sie den jüdischen Staat in dämonisierender Weise delegitimieren.

Die Hochschulleitung wurde daher von Studenten gebeten, die geplante Veranstaltung zu untersagen: "Die Nutzung hochschuleigener Räume für derartige Veranstaltungen würde die Verbreitung antisemitischer Inhalte institutionell legitimieren und dem erklärten Ziel der Hochschule zuwiderlaufen, einen inklusiven und diskriminierungsfreien Campus zu schaffen." Stattdessen solle sie Maßnahmen ergreifen, um "eine Kultur des Respekts und der Inklusion zu schaffen," hieß es in einer E-Mail.

Die Veranstaltung fand dennoch statt, deren Ablauf und Inhalt vom Tagespiegel ausführlich dokumentiert wurden. Qassem Massri sei krankheitsbedingt abwesend gewesen, sodass Udi Raz die Veranstaltung als mehrstündigen Monolog gestaltete. Die gastgebende Studentin habe die Veranstaltung mit einer Schweigeminute wegen eines "Ongoing Live-Genozid" in Gaza eröffnet. Raz habe Israel "Apartheid" unterstellt und das Existenzrecht des jüdischen Staates in Frage gestellt. Der Tagesspiegel resümiert die Veranstaltung als einen "Monolog über Identitätsfragen, mitsamt Israelfeindlichkeit und kruden Thesen", der das angekündigte Thema, "welche Pädagogik in der Zeit des Genozids", nicht behandelte. Es habe sich um "Frontalunterricht mit einigen wilden, oft israelfeindlichen Thesen" ohne kritische Gegenstimmen gehandelt. Die Pressestelle der ASH habe auf Anfrage des Tagesspiegels zur Besetzung des Podiums und den Inhalten ausweichend mit Verweis auf Vielfalt und Meinungsfreiheit reagiert.


Kritik an Reaktionen der Hochschulleitung

Auch die Hochschulleitung wies die Vorwürfe des Antisemitismus zurück. Präsidentin Prof. Dr. Bettina Völter erklärte: "Wir haben sowohl den Newsletter des AStA als auch die angekündigte Veranstaltung sorgfältig geprüft. Die dort vorgenommenen Aussagen und Wertungen sind aus unserer Sicht nicht als antisemitisch im Sinne der (erweiterten) IHRA-Definition anzusehen, da sie nicht Hass gegen jüdische Personen oder den Staat Israel als jüdisches Kollektiv ausdrücken, sondern eine sehr scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung des Staates Israel gegenüber den Palästinenser_innen formulieren, die jedoch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist."

Gegenüber dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) verwies Präsidentin Völter auf die "Wissenschafts- und Meinungsfreiheit sowie die Hochschulautonomie" und gab trotz mehrfacher Anfragen keine Stellungnahme zu den Inhalten der Veranstaltung ab. Stattdessen verwies sie darauf, dass die Veranstaltung im Rahmen der "Kritischen Orientierungstage" der ASH von einer Studentin organisiert worden sei. "Bei den ‘Korash' handelt es sich um von den Studierenden selbst verantwortete und gestaltete Veranstaltungen, die ergänzend zum offiziellen Programm zu Beginn des Semesters stattfinden", so die Hochschulleitung weiter.

Darüber hinaus wurde bestritten, dass die Gruppe notinourname_ash für die Veranstaltung verantwortlich zeichnete, obwohl die Hochschulleitung wiederholt durch Kritiker darauf hingewiesen wurde, dass der AStA die Veranstaltung als eine von notinourname_ash angekündigt und die Gruppe die Veranstaltung selbst auf Social Media als "unsere Paneldiskussion" beworben hatte: "Gerne weise ich darauf hin, dass die Veranstaltung ausweislich der Plakate nicht von notinourname_ash verantwortet wurde," schrieb die Präsidentin der ASH.

tacheles.ash äußerte daher deutliche Kritik. In einer Erklärung auf Social Media hieß es, die Alice Salomon Hochschule werde erneut "zu einem Ort, der Antisemitismus einfach zulässt, statt ihm konsequent zu begegnen". Die Veranstaltung sei Ausdruck einer konfliktscheuen Haltung gegenüber Antisemitismus, der auf diese Weise an der Hochschule ungehindert reproduziert werde. tacheles.ash forderte ein entschlosseneres Vorgehen gegen jede Form des Antisemitismus – insbesondere gegenüber israelbezogenen.


Teil des regulären Lehrangebots und Anerkennung als Prüfungsleistung

Nach Auskunft der Hochschulleitung wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem "erhöhten Sicherheitsbedarf" gerecht zu werden und die hochschulinternen "Richtlinien für einen wertschätzenden Umgang miteinander sowie die Hausordnung zu beachten". Die Organisatorin der Veranstaltung sei demnach gebeten worden, "ein Awareness-Team einzurichten". Zudem schrieb Präsidentin Völter: "Da die Einladung Teil einer Prüfungsleistung in einem Seminar war, wurde auch die Lehrende in die Vorbereitungen involviert."

Konkret war die Veranstaltung Teil der Übung "Vertiefende Auseinandersetzung" im Modul "Pädagogische Grundlagen Sozialer Arbeit" bei Prof. Dr. María do Mar Castro Varela. Die Politikwissenschaftlerin ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule mit den Schwerpunkten Postcolonial, Gender und Queer Studies. Die Organisatorin konnte durch die Durchführung der israelfeindlichen Veranstaltung Leistungspunkte für ihr Studium erwerben.

Diese Einbindung in ein reguläres Modul des Studiengangs "Soziale Arbeit" widerspricht der Darstellung, die Veranstaltung sei rein studentisch organisiert worden und außerhalb hochschulischer Verantwortung zu verorten. Während nach außen die Verantwortung studentischen Gruppen zugeschrieben wurde, war intern längst bekannt, dass die Veranstaltung Teil des Lehrbetriebs war. Sobald eine Veranstaltung im Rahmen von Lehrveranstaltungen und Prüfungsleistungen stattfindet, trägt die Hochschule Verantwortung – sowohl für die inhaltliche Rahmung als auch für die Auswahl der Beteiligten. Die Berufung auf studentische Autonomie enthebt die Hochschule nicht der Pflicht, antisemitische Inhalte zu erkennen, ihnen entgegenzutreten und jüdische Studierende zu schützen.

Auf Nachfrage, wie die Charakterisierung der Veranstaltung als autonome und selbstverantwortete Studentenveranstaltung mit der Einbindung als Prüfungsleistung in den Lehrbetrieb zu vereinbaren sei, blieb Präsidentin Völter abermals eine Antwort schuldig und versicherte, "dass die Fachbereiche und ihre Lehrenden die von Ihnen angesprochene Qualitätssicherung in Lehre, Studium und Forschung gewährleisten. Als Präsidium sind wir nicht mit der Durchführung einzelner Lehrveranstaltungen befasst."


Hochschulleitung bei israelfeindlicher Kundgebung

Die Einbindung einer in Teilen antisemitischen Veranstaltung in den hochschulischen Lehrbetrieb und deren Anerkennung als Prüfungsleistung markiert eine neue und alarmierende Eskalationsstufe in der institutionellen Verflechtung von israelfeindlichem Aktivismus und dem Handeln der Hochschulleitung. Diese Entwicklung stellt kein singuläres Ereignis dar, sondern bildet die vorläufige Zuspitzung einer Reihe von Vorfällen, bei denen die Hochschulleitung um Präsidentin Völter durch Duldung, Relativierung oder Beteiligung auffiel.

Bereits im Juni 2024 trat die Hochschulleitung im Kontext einer von der Gruppe notinourname_ash organisierten Kundgebung in Erscheinung, bei der der Staat Israel als Apartheidsregime dämonisiert und ihm ein angeblicher Genozid unterstellt wurde. Redner relativierten das Massaker der Hamas vom 7. Oktober, verhöhnten die israelischen Geiseln und riefen offen zur Gewalt gegen Jüdinnen, Juden und Israelis auf. Ein von der CDU organisierter und unter Beteiligung von Vertretern der SPD, Grünen, Linken und der israelischen Botschaft stattgefundener Gegenprotest wurde auf der Kundgebung als "Veranstaltung von Faschisten für Faschisten" diffamiert.

In einer im Vorfeld an die gesamte Studentenschaft versandten E-Mail hatte die Hochschulleitung die Kundgebung als eine Veranstaltung angekündigt, die auf das "Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung" aufmerksam mache. Angekündigt wurde, "die Anliegen der Kundgebung zu hören" und sich "gesprächsbereit zu zeigen". Präsidentin Völter wurde schließlich bei der Kundgebung im Gespräch mit hochschulfremden Aktivisten der israelfeindlichen Szene gesehen – während in unmittelbarer Nähe jüdische Gegendemonstranten, die unter Polizeischutz die Freilassung der israelischen Geiseln forderten und sich gegen Antisemitismus aussprachen, aggressiv bedrängt und als "Mörder" beschimpft wurden.


Diskurs mit israelfeindlichen Aktivisten

Die Kundgebung vor der Alice Salomon Hochschule im Juni 2024 war Teil einer eskalierenden Serie israelfeindlicher Aktionen der Berliner Vernetzung studentcoalitionberlin, zu deren Umfeld auch notinourname_ash gehört. Bereits Anfang Mai hatte dieser Zusammenschluss einen Innenhof der Freien Universität Berlin besetzt, Ende Mai folgte das Sozialwissenschaftliche Institut der Humboldt-Universität Berlin. In beiden Fällen kam es zu offenen antisemitischen Äußerungen, zur Verherrlichung des Massakers vom 7. Oktober 2023 sowie zur Verwendung von Symbolen der islamistischen Hamas.

Während die FU-Leitung die Besetzung noch am selben Tag beendete, tolerierte HU-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal die Aktion über Nacht – ein schwerwiegender Fehler, den sie später selbst einräumte: "Rückblickend würde ich anders handeln. Das war kein friedlicher Protest. […]  Ein Dialog mit diesen Besetzergruppen kann nicht gelingen." Die Folgen waren erheblich: ein Sachschaden in Höhe mehrerer Hunderttausend Euro und ein wochenlanger Ausfall des Lehrbetriebs.

Im Gegensatz dazu distanzierte sich die Leitung der ASH weder von der israelfeindlichen Kundgebung vor ihrer Hochschule noch von der Gruppe notinourname_ash. Im September 2024 kam es schließlich zu einem Gespräch zwischen der Hochschulleitung und Vertretern der Gruppe. Dabei wurde auch die antisemitische Forderung nach einem akademischen und kulturellen Boykott israelischer Einrichtungen thematisiert – eine zentrale Parole, die bereits bei den Besetzungen der FU und HU sowie bei der Kundgebung vor der ASH lautstark vertreten wurde und der ASH-Leitung zudem per E-Mail vorlag. Laut Darstellung von notinourname_ash lehnte die ASH-Leitung den Boykott zwar ab, bezeichnete ihn jedoch lediglich als "Symbolpolitik", die ihrer Ansicht nach "nichts nütze".


Besetzung des Audimax der Alice Salomon Hochschule

Ein vorläufiger Höhepunkt der Verstrickung zwischen Hochschulleitung und israelfeindlichen Aktivisten war die Besetzung des Audimax der Alice Salomon Hochschule Anfang Januar 2025. Angeführt von einer Gruppe aus bis zu 50 Personen, darunter hochschulfremde Aktivisten aus der israelfeindlichen Szene, wurde der zentrale Hörsaal der Hochschule besetzt. Die Leitung der ASH duldete die Besetzung nicht nur über mehrere Tage hinweg, sondern unterstützte die Besetzer auf vielfache Weise, sodass diese in sozialen Netzwerken zur Beteiligung an der Aktion aufriefen und versicherten, die Hochschule sei ein sicherer Ort für Israelfeinde. Derweil versuchte Präsidentin Völter nach übereinstimmenden Medienberichten, die Aktivisten über Hintertüren an der Polizei vorbeizuschleusen, bezeichnete die anwesenden Polizeikräfte als "bedrohlich" und forderte sogar deren Rückzug von öffentlichen Straßen vor der ASH – ein Schritt, der außerhalb ihrer rechtlichen Befugnisse lag. Trotz der offen zur Schau gestellten antisemitischen und terrorverherrlichenden Inhalte sprach die Hochschulleitung durchgehend von einem "friedlichen Protest" und stellte den Besetzern auch zukünftig die Überlassung von Räumen in Aussicht.

Die Aktivisten verwendeten Parolen wie "Zios not welcome" und "Hamas, mein Liebling" und skandierten "From the river to the sea – Palestine will be free" sowie "Zionism is a crime". Auf Transparenten war von einer angeblichen "Komplizenschaft" der Hochschule an einem "Genozid" die Rede. In unmittelbarer Nähe des Audimax dokumentierte tacheles.ash Poster, die die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober relativierten sowie Aufkleber mit antisemitischen Inhalten. Die Büste der jüdischen Sozialreformerin und Namensgeberin der Hochschule, Alice Salomon, wurde mit einem sogenannten Palästinensertuch verhüllt und unter dem Slogan "Alice Salomon turned Palestinian" in sozialen Medien geteilt. In einer Stellungnahme kritisierte tacheles.ash die Besetzung scharf als bedrohlich, ausgrenzend und antisemitisch. Es seien "rote Linien im Umgang mit Antisemitismus überschritten" worden, die von der Hochschulleitung jedoch ignoriert oder stillschweigend hingenommen worden seien. Die Darstellung der Besetzung als Raum des "Dialogs" oder der "Wissensaneignung" sei angesichts der Gewaltaufrufe, der Propagierung antisemitischer Inhalte und der faktischen Ausschließung Andersdenkender als zynisch zu bezeichnen.

Neben der offensichtlichen Duldung antisemitischer Hetze wurde während der Besetzung auch die Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Journalisten, die über die Vorgänge berichten wollten, wurden in den ersten Tagen bedrängt und teilweise körperlich attackiert. Auch Mitglieder der Hochschulleitung beteiligten sich an der Behinderung der Berichterstattung: So versuchte die Präsidentin laut Augenzeugenberichten, eine Kamera mit der Hand abzudecken, während ein weiteres Mitglied der Leitungsebene einen Journalisten direkt aufforderte, seine Arbeit einzustellen. Erst Tage später erhielten ausgewählte Medienvertreter unter strikten Auflagen Zugang – Foto- und Filmaufnahmen waren verboten. Die Treppen zum Audimax wurden über eine Stunde von vermummten Besetzern und Hochschulpersonal blockiert, belastendes Propagandamaterial wurde entfernt oder vernichtet, bevor Journalisten den Saal betreten konnten. Die Deutsche Journalisten Union (dju) sprach in einer Stellungnahme von einem "Tiefpunkt für die Pressefreiheit", der das Verhalten der Hochschulleitung in einem besonders problematischen Licht erscheinen lasse.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte ebenfalls mit deutlicher Kritik auf die Ereignisse. Präsident Dr. Josef Schuster nannte das Vorgehen der Hochschulleitung "skandalös": "Wenn eine Rektorin an ihrer Hochschule Terrorverherrlicher und Hamas-Liebhaber gewähren lässt und sie als weniger bedrohlich als unsere Polizei empfindet, ist das für mich völlig unverständlich." Auch innerhalb der Hochschule regte sich zunehmend Widerstand gegen die Verharmlosung der Vorgänge. Die Kanzlerin der ASH, Jana Einsporn, wandte sich in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Berlins, Kai Wegner, und sprach von einem Klima der Angst und Bedrohung. Sie berichtete von vermummten, hochschulfremden Personen, die sich in der Nähe von Arbeitsbereichen aufhielten und die Sicherheit von Mitarbeitenden gefährdeten. Ihre Schilderungen widersprachen deutlich der Darstellung eines "friedlichen Protests", wie ihn die Hochschulleitung in der Öffentlichkeit propagierte. Einsporn bat um eine politische Aufarbeitung der Vorgänge und forderte Unterstützung durch den Berliner Senat.

Die Besetzung des Audimax an der Alice Salomon Hochschule zeigte in erschreckender Deutlichkeit, wie tief antisemitische Positionen inzwischen in akademische Räume vordringen konnten – und wie wenig Bereitschaft abseits von Lippenbekenntnissen zum Schutz jüdischer Studenten und Mitarbeitern in Teilen des akademischen Betriebs vorhanden ist. Die aktive Unterstützung von Personen, die antisemitische, israelfeindliche und terrorverherrlichende Inhalte verbreiten, stellt einen beispiellosen Verstoß gegen die Verantwortung wissenschaftlicher Einrichtungen dar – gerade auch im Namen einer Frau, deren Leben und Werk dem Einsatz für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit gewidmet war.


Mit der Anerkennung der in Teilen antisemitischen Veranstaltung vom 16. April 2025 als Prüfungsleistung durch die Alice Salomon Hochschule sind die Grenzen zwischen israelfeindlichem Aktivismus und wissenschaftlichem Betrieb endgültig aufgehoben worden. Die Hochschule legitimierte damit nicht nur den Antisemitismus unter einigen ihrer Studenten, sondern integrierte diesen aktiv in ihren akademischen Lehrbetrieb. Während diese Veranstaltung auf dem Campus der ASH stattfand, besetzten etwa 15 Kilometer entfernt Aktivisten der studentcoalitionberlin den Emil-Fischer-Hörsaal der Humboldt-Universität. Die Gruppe notinourname_ash rief über Social Media zur Teilnahme an dieser Besetzung auf. Dort kam es wieder zu antisemitischen Parolen, zur Verherrlichung des Hamas-Terrors sowie zu erheblichem Vandalismus. Das Präsidium der Humboldt-Universität veranlasste eine Räumung durch die Polizei noch am selben Tag.

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