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“Intifada ist unser Klassenkampf”: Antisemitische Inhalte auf R1MB-Demo am 01.05.22


Mehr als zehntausend Personen versammelten sich am 01.05.2022 zur “Revolutionären 1. Mai Demonstration” (R1MB) in Berlin. Nachdem sich ab 16:30 Uhr auf dem Hertzbergplatz in Neukölln gesammelt wurde, folgte gegen 18:00 Uhr ein mehrstündiger Protestzug nach Kreuzberg. Wie schon 2021 hatte ein breites Bündnis von linken Gruppen zu den Protesten aufgerufen, darunter unter anderem Migrantifa Berlin, SDAJ, Young Struggle und Solid Nord-Berlin. Auch die pro-palästinensichen Gruppen “Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost” und “Palästina spricht” hatten zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Letztgenannte Gruppe veröffentlichte im Vorfeld einen Aufruf unter dem Motto “Intifada ist unser Klassenkampf”. Darin war mitunter von einem vermeintlich „zionistischen Kapitalismus“ die Rede. In dieser Logik wird der zu bekämpfende Kapitalismus antisemitisch mit dem Zionismus verknüpft, während der gewaltsame Widerstand dagegen – die “Intifada”, die letztlich immer auch jüdischer Zivilbevölkerung gilt – als linker “Klassenkampf” verklärt wird.

Wie schon letztes Jahr waren vor Ort zahlreiche Plakate und Schilder mit antisemitischen Aussagen zu lesen. Zwar stand das Thema Israel in diesem Jahr weit weniger im Fokus als schon in der Vergangenheit, dennoch waren israelfeindliche Inhalte in insgesamt drei der Demoblöcke beobachtbar. So hieß es im Frontblock auf einem Plakat bspw. “Intifada until Apartheid [Israel] falls”, was als Aufruf zur gewaltvollen Auslöschung Israel verstanden werden kann. Ein Transparent mit der Aufschrift “Apartheid exists, Palestine resists” war mit der Unterschrift “27.027 km²” versehen, was der Gesamtfläche Israels und der palästinensischen Gebiete entspricht und somit auf eine Ein-Staat-Lösung ohne die Existenz Israels abzielt. Des Öfteren wurde der antisemitische Sprechchor “From the river to the sea, Palestine will be free” angestimmt, dessen Kernaussage ebenfalls die Auslöschung des Staats Israel ist. Auch Plakate der “Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost” thematisierten eine angebliche Apartheid (“Gegen Israels Apartheid und Siedlerkolonialismus”). Hintergrund hierzu ist, dass Israels Politik in antiisraelischen Zusammenhängen immer wieder ahistorisch mit der südafrikanischen Apartheid gleichgesetzt und letztere dadurch relativiert wird.


Wie schon bei den israelfeindlichen Demonstrationen während der letzten Wochen wurden in einem Block Fahnen der PFLP-nahen Gruppe Samidoun geschwenkt. Samidoun ist in Israel als Terrororganisation eingestuft. Ein Transparent forderte zudem “Free Georges Abdallah”. Abdallah war PFLP-Mitglied und galt als Anführer der Libanesischen Revolutionären bewaffneten Fraktion (FARL). 1987 wurde er wegen Beihilfe zum Mord an einem israelischen Diplomaten zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ähnliche Inhalte waren auch andernorts zu beobachten, in Reden wiederum wurde sich dem Thema nur am Rande gewidmet. Zwar war die Demonstration demzufolge nicht maßgeblich geprägt durch antisemitische Inhalte, doch ist festzuhalten, dass ein nicht geringer Teil der Demonstration offensichtlich kein Problem mit entsprechenden Akteur:innen und Inhalten zu haben scheint.

Sicherlich kann der Vorwurf des Antisemitismus bei Weitem nicht allen Teilnehmenden der R1MB-Demonstration gelten; im besten Fall gar nur einem kleinen Teil. Und dennoch müssen sich die anderen der kritischen Frage stellen, warum sie an einer Demonstration teilnahmen, auf der explizit auch zu einer “Intifada” aufgerufen wurde.


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