Heute vor 77 Jahren, am Nachmittag des 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Die sowjetischen Truppen erreichten am 26. Januar 1945 das Arbeitslager Monowitz (Auschwitz III) und konnten am darauffolgenden Tag das Stammlager (Auschwitz I) und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) befreien. Insgesamt wurden in den Lagern von Auschwitz ca. 1,3 Millionen Menschen ermordet, darunter mindestens 1.000.000 Jüdinnen und Juden, 70.000 nichtjüdische Polinnen und Polen, 25.000 Sinte:zze und Rom:nja und 15.000 sowjetische Kriegsgefangene.
Auschwitz - das größte Vernichtungslager im Dritten Reich - wurde in der Nachkriegszeit zu einem Symbol für den Holocaust. Das ist insofern verständlich, weil es in der Welt einen solchen Ort, an dem Menschen in eigens dafür errichteten Gaskammern systematisch und industriell mittels eines Pestizids ermordet wurden, noch nicht gegeben hatte. Dennoch handelt es sich hierbei um ein ambivalentes Symbol. So fand ein großer Teil der nationalsozialistischen Judenvernichtung auch außerhalb von Auschwitz oder der Vernichtungslager der Aktion Reinhardt (Belzec, Sobibor und Treblinka) statt. Genannt sei hier beispielhaft das Massaker von Babyn Jar in der Ukraine, das ein Ort dieses “Holocaust by Bullets” ist.
Außerdem ist fraglich, ob der Aspekt des industriellen Mordens, der meist mit Auschwitz als Symbol verknüpft ist, die Spezifik des eliminatorischen Antisemitismus der Nazis erfassen kann. Denn das Besondere, Beispiellose der NS-Judenvernichtung liegt eben nicht, wie vielfach angenommen wird, in der industriellen und technischen Ausprägung der Ermordungen. Das Besondere der NS-Judenvernichtung ist der Antisemitismus, also eine Ideologie, deren Ziel in der Vernichtung allen jüdischen Lebens zu finden ist.
In Deutschland ist der 27. Januar seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag, welcher der Opfer des Nationalsozialismus gelten soll. Seit 2005 ist dieser Tag von den Vereinten Nationen zudem zum “Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust” erklärt worden. Im Bundestag findet am 27. Januar jährlich eine Gedenkstunde statt, bei der Überlebende und Zeitzeug:innen des Holocausts als Gastredner:innen auftreten. Der Gedenktag soll, so der damalige Bundespräsident Roman Herzog, “Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken”.
Kaum ein Ereignis in der Menschheitsgeschichte wurde so umfassend dokumentiert wie das Grauen in Auschwitz, von dem zahlreiche Zeitzeugenberichte, Tagebuchaufzeichnungen, Fotos und andere Dokumente Zeugnis ablegen. Trotzdem ist Holocaustleugnung nach wie vor ein fester Bestandteil rechtsextremer und antisemitischer Ideologien, die auch in islamistischen Regimen wie der Islamischen Republik Iran betrieben wird. Seit Beginn der Corona-Proteste häufen sich zudem NS- und Holocaust-Vergleiche, welche beispielsweise die Covid19-Impfung mit der Massenvernichtung im Holocaust gleichsetzen.
Wir gedenken heute der Millionen jüdischen und nichtjüdischen Opfer der Shoah und NS-Vernichtungspolitik, den Überlebenden und Hinterbliebenen. Unsere Solidarität gilt all denen und den heute lebenden Jüdinnen und Juden in Israel, den USA und der gesamten Welt.
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