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“friedlich zusammen” Demonstration in Berlin am 12. März 2022

“Für ein friedliches und freies Miteinander der Gesellschaft”: Unter diesem Motto beteiligten sich am Samstag, dem 12. März 2022, insgesamt zwischen 2.000 und 3.000 Personen an einer Demonstration der Initiative “friedlich zusammen” in Berlin. Die Veranstaltung startete um 14 Uhr im Mauerpark und endete nach einem Aufzug durch die anliegenden Straßen am selben Ort gegen 18 Uhr. Zu Beginn und zum Abschluss wurden Reden der Veranstalter:innen gehalten, die vor allem das Leiden von Kindern während der Pandemie oder die möglicherweise bevorstehende Impfpflicht thematisierten. Zu den Redner:innen der Abschlusskundgebung gehörte unter anderem der Initiator der “#allesdichtmachen” Kampagne, der Regisseur Dietrich Brüggemann. Zum Ende wurde gemeinsam das Lied “Imagine” von John Lennon als Reggae-Version gesungen. Insgesamt boten die Beiträge inhaltlich wenig Neues und folgten dem seit nun zwei Jahren genutzten Narrativ, wonach es sich bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu einem großen Teil um reine Schikane handele und nicht nach wissenschaftlichen Kriterien entschieden würde.

Die Verantwortlichen versuchen nicht nur auf Demonstrationen möglichst bunt aufzutreten.

Im Vorfeld wurde bundesweit für die Veranstaltung aufgerufen. Ins Auge stach mitunter ein Aufruf der selbsternannten “Feuerwehr Gemeinschaft”, einer Initiative von Feuerwehr-Mitarbeiter:innen, die sich gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht zusammengeschlossen hat. Vor Ort dann traten die ungefähr 30 Personen mit Helmen und Warnwesten auf und erfreuten sich über den an verschiedenen Stellen formulierten Zuspruch der Anwesenden. Unter diesen befand sich auch ein Team des rechtsextremen Compact Magazin, das das Geschehen dokumentierte.

Die Mitglieder der "Feuerwehr Gemeinschaft" erhielten zwischenzeitlich Szenenapplaus.

Während des Demonstrationsaufzugs kam es im Zusammenhang mit einer Festnahme vonseiten der Teilnehmenden zu Pöbeleien und Drohungen gegenüber Pressevertreter:innen.


Die Initiative: “friedlich zusammen”


Gegen die Impfung an sich sei man nicht, wird vonseiten der Organisatorinnen stets betont. Lediglich gegen die Pflicht zur Impfung ginge man auf die Straße. Außerdem fordere man vonseiten der Amtsträger:innen eine stärkere Beachtung der “Maßnahmenschäden” und die Anerkennung der “natürlichen Immunität”. Die Beteiligten wünschen sich “eine Politik, die den wissenschaftlichen Diskurs fördert, statt ihn zu unterbinden”. Eine Politik, “die versucht, den Menschen Angst zu nehmen, statt Angst zu schüren, die wirtschaftliche Interessen hintenan stellt und transparent mit ihren Bürgern kommuniziert.” Auf der Website kritisiert man außerdem mangelnde Transparenz vonseiten “der Politik”.


Politische Verortung

Die Initiator:innen verorten sich selbst in der “Mitte der Gesellschaft” bzw. nehmen sich nach eigenem Empfinden als eher links wahr. So erklärt die Juristin und Mitorganisatorin der Demonstrationen Nicole Reese im Februar im Gespräch mit Deutschlandfunk, dass die Beteiligten überwiegend aus der “bürgerlichen Ecke, aus der links-grünen Ecke” kämen. Viele von ihnen seien zum Beispiel regelmäßig bei Fridays for Future mitgelaufen. Sie gibt an, dass einige auch aus der liberalen oder konservativen Ecke kämen, jedoch “weit weg davon, Nazis, Rechte, Aluhut-Träger oder Coronaleugner zu sein”. Es handele sich um “Menschen verschiedenster Herkunft mit und ohne Migrationshintergrund. Ärzte, Pfleger, Juristen, Handwerker also wir sind bunt und divers.”


Auf der Website und den verschiedenen Social Media-Kanälen, doch auch im Zuge der Demonstration am 13. März 2022 betont die Gruppierung immer wieder, dass ihre Hauptanliegen Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung seien. Themen, gegen die die meisten erstmal nichts einzuwenden haben. Zeitgleich ist ein enormes Bedürfnis zu vernehmen, sich immer wieder, fast phrasenhaft, nach außen hin von rechten Gruppen oder rechtem Gedankengut zu distanzieren, was sich am Samstag mitunter in gemeinsamen “Nazis raus!”-Rufen vernehmen lies. Stets wird zudem darauf hingewiesen, die Teilnehmenden mögen während der Demonstration darauf achten, keine politischen Symbole offen zu tragen.


Dennoch ließ sich am Samstag eine Demonstration beobachten, die sich in ihrem Aufbau, den Inhalten und den Anwesenden nur bedingt von Corona-Protesten der Vergangenheit unterschied. Auch dieses mal trug mindestens einer der Teilnehmenden einen Button mit einem gelben “ungeimpft” Stern an seiner Jacke, wodurch ungeimpfte Personen auf eine Ebene mit Jüdinnen:Juden während des Nationalsozialismus gestellt werden.

Die Beteiligten

Eine der Protagonist:innen und zeitgleich prominentes Gesicht der Initiative ist die Synchronsprecherin, Sängerin und Drehbuchautorin Giovanna Winterfeldt. Winterfeldt veröffentlichte vor kurzem gemeinsam mit dem Rapper SchwrzVyce ein Lied. Dieser begleitet die Corona-Proteste seit einiger Zeit musikalisch und transportiert mit seinen Texten des Öfteren verschwörungsideologische Inhalte. Gemeinsam besingen die beiden sog. “Spaziergänge”, sprich unangemeldete Aufmärsche, die sich vordergründig gegen die geltenden Corona-Maßnahmen richten. Der Song wurde am Samstag gleich zu Beginn der Veranstaltung durch die Sängerin performt.

Giovanna Winterfeldt

Winterfeldt solidarisierte sich in der Vergangenheit außerdem mit der verschwörungsideologischen “Freedom Parade”, die zuvor die “fortschreitende Zensur” mit der Bücherverbrennung während des Nationalsozialismus verglichen hatte. Damit verbunden ließ sie wissen, sie habe diesen Vergleich selber auch schon gemacht und betont: “Selbst, wenn das ein Vergleich ist, der hinkt, dann macht einen das nicht zum Nazi.” Sie erklärt weiter, sie könne kein Nazi sein, weil sie nichts gegen Ausländer habe, selbst Schwarze sei, einen diversen Freundeskreis habe. Selbiges gelte für “friedlich zusammen”. In Aussagen wie diesen zeigen sich mehrere Fehlschlüsse. Zum einen sind Antisemitismus und Rassismus nicht nur bei Nazis oder Rechten vorzufinden, zum anderen immunisiert die eigene linke, diverse oder Schwarze Identität nicht automatisch dagegen, nicht selbst auch Antisemitismen oder Rassismen zu reproduzieren.


Eine weitere Mitorganisatorin der Demonstration ist die Schauspielerin und Kabarettistin Tina-Maria Aigner. Aigner trat bereits bei der o.g. Aktion “#allesdichtmachen” in Erscheinung, welche medienwirksam, plakativ und unter Mitwirkung von Personen wie Volker Bruch oder Jan Josef Liefers die Corona-Maßnahmen und Medienberichterstattung während der Pandemie kritisierte und in Teilen Desinformation verbreitete.


Auf einer vergangenen Demonstration am 12. Februar 2022 hielt die Intensivkrankenschwester Sabrina Kollmorgen eine Rede. Kollmorgen war Kandidatin bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus für den Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf 2021 für “dieBasis”, dem parteipolitischen Arm der Corona-Protest-Bewegung. Ein weiterer Redner damals war Adam Nümm, der mitunter auf einem Blog Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie übt. Seine Artikel wurden in der Vergangenheit unter anderem auf der verschwörungsideologischen Website KenFM veröffentlicht.


Weitere Initiatorinnen sind Miriam Stein, Nicole Reese, Nele Flüchter, Sabine Winterfeldt, Deborah Abeßer, die alle nach eigener Angabe auch schon vor ihrem Engagement im Umfeld von “friedlich zusammen” in politischen Bündnissen und Kontexten aktiv waren.


Die Strategien

Die Positionierung gegen jede Art von Ausgrenzung und Diskriminierung scheint auf den ersten Blick ein erstrebenswertes Anliegen zu sein. Obwohl “friedlich zusammen” auf ihrer Website neben dem Impfstatus einige weitere Diskriminierungskategorien wie “Alter, Herkunft, Geschlecht, Glaube, sexuelle Orientierung, Hautfarbe” aufzählen, zeigt sich auf den Plakaten und Reden der Demonstration, dass die Nennung dieser Kategorien nur zur Legitimation des eigentlichen Anliegens, der Ablehnung der Corona-Maßnahmen dient. Eine ähnliche Strategie zeigt sich auch in der Übernahme von Sprüchen, Symbolen oder Slogans aus linken Kämpfen, wie beispielsweise der Aussage “My Body my Choice” bzw. “Mein Körper, meine Entscheidung”. Dies ist ein Slogan der feministischen Bewegung für das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung. Durch die Verwendung von bestehenden Sprüchen werden Forderungen vereinfacht und aus ihrem Kontext gerissen. Auf diese Weise werden Vergleiche gezogen, die so nicht zulässig sind.

Ein weiterer problematischer und irreführender Vergleich findet sich in einem Video auf dem Instagram-Kanal der Initiative, mit dem für die Demo am 12. März 2022 aufgerufen wurde. Darin erläutern Giovanna Winterfeldt und Tina-Maria Aigner, warum sie “zu diesen Zeiten” – womit auf den Ukraine-Krieg verwiesen wird – trotzdem eine “friedlich zusammen” Demo organisieren. Aigner argumentiert, dass “es eigentlich dasselbe Thema ist”, denn “jeder solle in Freiheit leben können”. Eine ähnliche Irritation findet sich auch im Textaufruf, in dem Masken in eine Reihe mit Krieg, Hungersnöten und Medienpropaganda gestellt wurden. Anstatt sich für die Belange von Menschen einzusetzen und zu solidarisieren, die wirklich unter Krieg etc. leiden, werden diese Themen instrumentalisiert, um die eigene Situation zu dramatisieren. Zudem verweisen diese Beispiele auf ein fragwürdiges Verständnis von Freiheit und Solidarität.

Auch auf Plakaten wurden Impfpflicht und Krieg in eine Reihe gestellt.

Auffällig war die große Präsenz von Kindern auf der Demonstration und sehr vielen Plakaten, die sich um Kinderschutz drehen. Das Thema lässt sich als eines der Hauptanliegen von “friedlich zusammen” bestimmen. Die Sorge um Kinder wird seit Beginn der Pandemie häufig vorgeschoben, um die eigenen Anliegen zu untermalen.


Hierdurch instrumentalisieren die Beteiligten den eigenen Nachwuchs für ihre Interessen und geben sich als Beschützer:innen aus. Durch den Fokus auf vulnerable Gruppen versucht sich die Bewegung nach außen hin ein positives Images geben. Eine Strategie die beispielsweise auch im rechten Spektrum beliebt ist und erst kürzlich beim “Impfstreik Bündnis Deutschland” zu beobachten war.


Auch die Solidarisierung mit dem Pflegepersonal und der bereits genannten Feuerwehr war ein präsentes Thema auf der Demonstration und folgt eben jener Strategie.


Fazit


Insgesamt zeigt sich bei den Anwesenden und ihren Plakaten ein prinzipielles Misstrauen gegenüber der aktuellen Demokratie und ihren Kerninstitutionen. Dies war auch in den Reden zu vernehmen, die vor allem den eigenen Frust gegenüber derzeitiger Entscheidungsträger:innen unterstrichen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach dient bei entsprechenden Portesten häufig als Feindbild.

Auch wenn die Beteiligten der Gruppierung “friedlich zusammen” und eine Großzahl der Teilnehmenden der Demonstrationen zwar kein geschlossenes rechtes Weltbild besitzen, bedeutet dies nicht, dass nicht Versatzstücke rechter Ideologien vorzufinden sind. Insbesondere Verschwörungsmythen – die immer strukturell antisemitisch sind – sind in allen gesellschaftlichen und politischen Gruppen vorzufinden. Anhand von “friedlich zusammen” wird deutlich, dass es sich bei den Corona-Proteste um keine genuin rechte Bewegung handelt. Es ist wichtig, Initiativen wie “friedlich zusammen” genau zu betrachten und inhaltliche Überschneidungen und Allianzen zu analysieren.






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