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BTW2021: Trotz Pressefeindlichkeit, Antisemitismus & Verschwörungsideologien ca. 1,4% für "dieBasis"

Die Partei "dieBasis" erhielt bei der Bundestagswahl 2021 mehr als 700.000 Erst- und 600.000 Zweitstimmen. Welches Gefahrenpotential von der Kleinstpartei ausgeht, haben wir in unserer ausführlichen Analyse erläutert.


Die Bundestagswahl 2021 ist vorbei. Am Wahlabend selbst wurde viel diskutiert: über mögliche Koalitionen, die Vergabe von Ämtern oder potenzielle Wahlsieger:innen bzw. -verlierer:innen. Einzelne der insgesamt 47 angetretenen Parteien spielten in der öffentlichen Wahrnehmung dagegen eine wenig bedeutende Rolle, und das trotz der in Teilen zuvor hochgesteckten Ziele.


Als “neue starke Kraft der Gesellschaft”[i] angetreten war beispielsweise die im Juli 2020 als faktische Nachfolgerin der kurzlebigen Kleinstpartei “Widerstand 2020“ gegründete Partei “dieBasis“. Sie ist die einzige aus den sog. Corona-Protesten heraus entstandene Partei, die bei der Bundestagswahl am 26.09.2021 angetreten ist. Zuvor war in den eigenen Reihen noch davon gesprochen worden, man verfüge über ein Wähler:innenpotential von bis zu 16 Prozent.[ii] In Telegram-Kanälen wurden parteiinterne Prognosen veröffentlicht, wonach die Partei auf 4 Prozent käme. Mit dem Rechtsanwalt Reiner Fuellmich stellte man gar einen eigenen Kanzlerkandidaten auf, nachdem dieser sich parteiintern gegen Viviane Fischer durchgesetzt hatte. Fuellmich machte in der Vergangenheit unter anderem durch relativierende NS-Vergleiche auf sich aufmerksam, indem er zum Beispiel davon sprach, geplante Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie seien schlimmer als der Holocaust.[iii]


Die 4 bzw. 16 Prozent wurden bei weitem verpasst und Fuellmich auch nicht der nächste Kanzler. Dennoch handelt es sich bei den 1,4 Prozent, die laut vorläufigem Endergebnis eingefahren wurden, um ein Resultat, das der Partei einen Anspruch auf Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung ermöglicht. Die Partei erhält somit 1,03 Euro pro Zweitstimme, was insgesamt mehrere hunderttausend Euro bedeutet. Ähnliche Ergebnisse wie am 26. September wurden in den vergangenen Monaten auch bei Landtagswahlen in Baden-Württemberg (1,0%) und Sachsen-Anhalt (0,7%) erreicht, sodass auch einzelne Landesverbände in Zukunft finanziell bezuschusst werden. In Anbetracht dessen scheint sich „dieBasis“ vorerst bei einem Wähler:innenpotential zwischen 0,5 und 2 Prozent einzupendeln. Dieser Eindruck bestätigt sich beim Blick auf die gestrigen Wahlergebnisse in den jeweiligen Bundesländern.


Die Partei hat den Einzug in den Bundestag also deutlich verpasst. Betrachtet man jedoch die absoluten Zahlen so wird deutlich, dass mehr als 700.000 Erst- und 600.000 Zweitstimmen an eine Partei vergeben wurden, die die verschwörungsideologischen Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung maßgeblich mittragen. Zentrale Akteure der Bewegung wie Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi sind Schlüsselpersonen der Strömung und machten im Falle Bhakdis in letzter Zeit vor allem durch antisemitische Äußerungen auf sich aufmerksam.[iv]


Der Wahlkampf wurde während der letzten Wochen ambitioniert und bundesweit geführt. “dieBasis” trat dabei in allen Bundesländern außer Berlin an. Dort wurde sie aufgrund eines Formfehlers von der Wahl ausgeschlossen.[v] Trotz dieses Umstands führten die Beteiligten in der Bundeshauptstadt zahlreiche Wahlkampfveranstaltungen durch, meldeten Kundgebungen an und hängten Plakate mit Aufschriften wie “EHRLICHKEIT” oder “MITGEFÜHL” auf.


Finanziert wurde all das wohl zu einem wesentlichen Teil durch private Spenden, so überwies bspw. die Weiland Stallbau GmbH & Co. KG der Partei am 30.12.2020 eine Summe von 60.000 Euro.[vi] Mit einem ähnlichen Betrag zeigte sich die Bode Immobilien GmbH + Co. KG mit Sitz in Hamburg der Partei am 16.08.2021, pünktlich zum Wahlkampf-Endspurt, mit 59.270,92 Euro wohlgesonnen.[vii] Hinter der Immobilien GmbH steht laut abgeordnetenwatch.de Frank Bode, der gleichzeitig als Pressesprecher von “dieBasis” des Hamburger Landesverband genannt wird.[viii]


Geprägt wurde der Wahlkampf weniger durch Inhalte als durch die immer gleichen, in Teilen verschwörungsideologischen, Phrasen. Im Fokus der Betrachtung stand hier, wie in einem der zentralen Wahlwerbespots mit dramatischer Musik unterlegt, häufig die Ablehnung unterschiedlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie das Maskentragen von Kindern oder Corona-Tests. Angesichts dessen warnten Protagonist:innen der Partei wie Viviane Fischer davor, “die Demokratie” bzw. “den Rechtsstaat [zu] verlieren”.[ix]


Die häufig genannten “vier Säulen” der Kleinstpartei (“Freiheit”, “Machtbegrenzung”, “Achtsamkeit” und “Schwarmintelligenz”) dienen zwar als Charakteristikum, lassen jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf bestimmte Ziele und Vorhaben zu. Auch ein konkretes Wahlprogramm auf Bundesebene ließ “dieBasis”, die offiziell “Basisdemokratische Partei Deutschland” heißt, bis zuletzt vermissen. Stattdessen wurde im Anschluss an eine Mitgliederumfrage ein lediglich zweiseitiges “Rahmenprogramm” veröffentlicht, welches “die Richtung, Vision und Orientierung vorgeben”[x] sollte.


Auf der Homepage der Partei werden als zentrale Forderungen unter anderem das “Recht auf Freiheit der Person und selbstbestimmtes Handeln” oder das “Recht auf Meinungsfreiheit und freie Willensbildung”[xi] genannt. Dass es die Akteur:innen und Anhänger:innen der Partei mit dem Recht auf Pressefreiheit wiederum nicht so genau nehmen, zeigte sich deutlich am 28.08.2021 in Berlin. Im Zuge einer “dieBasis”-Kundgebung am Leipziger Platz kam es zu einem Vorfall, bei dem Berichterstatter:innen des JFDA durch zahlreiche Kundgebungsteilnehmer:innen und einen Organisator bedrängt und somit an ihrer Arbeit gehindert wurden[xii] - die Meinungsfreiheit gilt folglich vor allem dann, wenn sie den eigenen Ansprüchen nachkommt.


In der Vergangenheit gelang es der Partei, die sich nach Aussage ihres heutigen Vorstandsmitglied, dem ehemaligen Grünen-Politiker Claudio David Siber, “eher im linken als im rechten Spektrum zu Hause” fühlt nicht, sich von extrem rechten Inhalten und Akteur:innen zu distanzieren. Wahlweise wurde in Reichsbürger-Rhetorik von einem “BRD-Konstrukt” gesprochen[xiii] oder Umsturzfantasien artikuliert. Verantwortliche sprachen in Telegram-Chats im Januar 2021 davon, eine “öffentliche Liste von Personen” anzulegen, “die den Corona-Faschismus öffentlich befürwortet oder unterstützt haben”[xiv].


Die Partei, die sich nach außen hin stets versucht nächstenliebend und empathisch in Szene zu setzen, hat seit ihrer Gründung eine ähnliche Radikalisierung durchlebt, wie die gesamte Szene der Corona-Leugner:innen. Wohin eine solche Entwicklung führen kann, hat sich am 18.09.2021 in Idar-Oberstein gezeigt, als ein Masken-Verweigerer einen 20-Jährigen Tankstellenmitarbeiter tötete, der ihn zuvor zum Tragen der Maske aufforderte. Auch andernorts kam es in der jüngeren Vergangenheit zu Vorfällen, bei denen Menschen durch Corona-Leugner:innen beleidigt, bedroht und tätlich angegriffen wurden.[xv] Dazu kommen die zahlreichen Beleidigungen, Störaktionen bei Impfaktionen, Bedrohungen und Angriffe auf Impfzentren.[xvi] Bei der Bundestagswahl selbst lösten Maskenverweigerer mehrere Polizeieinsätze in Wahllokalen aus.[xvii]


Angesichts des Resultats bei der diesjährigen Bundestagswahl ist es dementsprechend weiterhin notwendig, auf die weitere Entwicklung der Bewegung zu achten und auf die damit verbunde Demokratiefeindlichkeit mitsamt ihrer Gewalt- und Gefahrenpotenziale hinzuweisen.

 

Quellen:








[vii]









[xv]

https://www.t-online.de/region/dortmund/news/id_90841584/attacke-am-dortmunder-hauptbahnhof-maskenverweigerer-geht-auf-bahnmitarbeiter-los.html





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