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Zum 40. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats am 26. September 1980

Heute vor 40 Jahren explodierte am Eingang des Münchner Oktoberfestes eine Bombe, durch die 12 Menschen ermordet wurden. 200 weitere Menschen wurden bei dem Attentat teils schwer verletzt. Bis heute ist der Anschlag einer der drei schwersten Terrorangriffe in der Geschichte der Bundesrepublik, neben dem Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft 1972 und dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 2016. Verantwortlich gemacht wird der damals 21-jährige Neonazi Gundolf Köhler, der selbst beim Anschlag ums Leben kam.

Köhler war laut dem Journalisten Ronen Steinke ein „Waffenfanatiker und Hitler-Verehrer“ und gehörte zum Umfeld der neonazistischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“, mit der er trainierte. Seine Tat wurde ungeachtet dessen durch das bayerische LKA als die eines „Alleintäters“ eingestuft, die politische Dimension des Anschlags ausgeblendet, wie der Politikwissenschaftler Gideon Botsch jüngst in der ZEIT schrieb. Köhler habe aus „rein persönlichen Motiven“ gehandelt, so die Ermittler:innen damals. Der Anschlag wurde damit von den westdeutschen Behörden nicht als Terror eingestuft – ein Begriff, mit dem zu dieser Zeit vor allem die Taten linksradikaler Gruppen wie der RAF beschrieben wurden. Rechtsterrorist:innen wurden als Einzeltäter:innen dargestellt und das obwohl es in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Indizien dafür gab und gibt, dass hinter den ausführenden vermeintlichen Einzeltäter:innen weitere Strukturen und Netzwerke stehen. So verübte in Deutschland nach 1945 keine Gruppe so schwere Anschläge wie die „Wehrsportgruppe Hoffmann“, die zeitweise 400 Anhänger:innen hatte. „Bis heute dominiert bei rechten Gewaltdelikten, anders als bei der Ahndung linksextremer Anschläge, das Narrativ vom pathologischen Einzeltäter“, so Gideon Botsch.

Das Oktoberfest-Attentat wurde unmittelbar nach der Tat u.a. von CSU-Politker:innen stark verharmlost. So erklärte der damalige CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, dass man die „Pfadfinderspiele [der Wehrsportgruppe Hoffmann] im Wald mal nicht zu ernst nehmen“ solle, wie Ronen Steinke in seinem Buch „Terror gegen Juden“ schreibt. Bis heute ist nicht geklärt, aus welcher Quelle der beim Attentat verwendete Sprengstoff stammte – es gibt lediglich Hinweise darauf, dass er eine militärische Qualität besaß.

Das Attentat auf die Besucher:innen des Münchner Oktoberfestes am 26. September war nicht die einzige rechtsterroristische Gewalttat des Jahres 1980. Bereits im Sommer wurden die beiden vietnamesischen Geflüchteten Do Anh Lan und Nguyen Ngoc Chau in ihrer Unterkunft in Hamburg durch einen Brandanschlag des Rechtsextremen Manfred Roeder ermordet. Am 19. Dezember 1980 wurden der jüdische Verleger Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrer Wohnung in Erlangen ebenfalls durch ein Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“, den stellvertretenden Leiter Uwe Behrendt, erschossen.

Wie so viele wurden diese neonazistischen Mordanschläge von den Behörden nicht als das eingestuft, was sie waren – nämlich rechter Terror. Die Ermittler verdächtigten stattdessen im Mordfall Lewin/Poeschke, so Ronen Steinke, das persönliche Umfeld der Ermordeten und erklärten, dass hinter den Morden „dunkle Machenschaften unter Juden“ oder der israelische Geheimdienst Mossad steckten.

Eines ähnlichen antisemitischen Verschwörungsglaubens bedient sich bis heute auch der ehemalige Kopf der „Wehrsportgruppe Hoffmann“, Karl-Heinz Hoffmann. Auf seinem YouTube-Kanal sprach er im Juli im Hinblick auf die Hintergründe des Oktoberfest-Attentates von einer erfundenen „Verleumdungsgeschichte“, die ihm angehängt werden solle. In Wahrheit stünden Geheimdienste hinter dem Anschlag und der israelische Mossad habe diesen aus „Rache“ für das Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft 1972 initiiert. Bis heute wurde Hoffmann nie wegen eines Tötungsdeliktes aus dem Umfeld der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ belangt.

Die Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat wurden 2014 noch einmal aufgenommen. Seit dem Jahr 2020 wird der Anschlag durch die Bundesanwaltschaft offiziell als rechtsterroristischer Terrorakt eingestuft. Die Ermittlungen jedoch wurden im Juli 2020 ohne abschließendes Ergebnis endgültig eingestellt. Der verheerende Anschlag von vor 40 Jahren reiht sich damit ein in die Kette nie aufgeklärter rechtsextremer Attentate und Gewaltakte in der Bundesrepublik Deutschland.

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