Diese Frage steht über der Ausstellung, die am 14. Februar im Technikmuseum Berlin
feierlich eröffnet wurde. Die Antwort ist kurz: Fritz Kittel war ein Reichsbahnarbeiter, der
sich dazu entschied, eine jüdische Familie zu retten. Die Geschichte selbst ist lang, denn
Juden vor der Deportation zu retten war während der nationalsozialistischen
Terrorherrschaft weder einfach noch ungefährlich. Und in der Regel kennen wir die
Geschichten heute nicht mehr – denn sie interessieren nicht. Dabei sind sie wichtige
Beispiele dafür, wie jeder einzelne Mensch etwas dazu beitragen kann, die Welt besser zu machen.
Esther Dischereit und Oliver Bradley, Nachfahren der beiden Schwestern Hella und
Hannelore Zacharias, die Fritz Kittel rettete, ist es zu verdanken, dass die Geschichte nun in einer kleinen, aber umfangreichen Wanderausstellung aufgearbeitet wurde und von der Historischen Sammlung der Deutschen Bahn AG präsentiert wird. Dabei hat Esther Dischereit nicht nur die Idee zu dieser Ausstellung, sondern erstellte zusammen mit Veruschka Götz und Susanne Kill das Konzept. Die Ausstellung selbst gliedert sich in verschiedenen Ebenen: Zum einen gibt es eine große Wand, die einen Überblick über die Zeitschiene gibt. Auf der Rückseite dieser Wand kann man zehn Videoclips sehen, in denen Mitglieder der Familien zu Wort kommen. Denn: Teil der Ausstellung ist auch eine Reise der Nachkommen der beiden Familien nach Zary, wo die beiden Schwestern mit falschen Papieren im Haus des Eisenbahners lebten. Dass dies nicht so einfach war, wie es sich hier darstellt wird in der Ausstellung und den Interviews ersichtlich. Fritz Kittel riskierte viel und musste sich auf das Einverständnis seiner „echten“ Verlobten verlassen, damit die „falsche“ Familie nicht denunziert wurde. Denn ein unrühmlicher Teil jener Zeit war die Tatsache, dass man vor Denunziationen, die unweigerlich scharfe Sanktionen zur Folge hatten, nicht sicher war.
Die Ausstellung selbst ist in Schränken untergebracht – hier werden Dokumente ausgestellt, die die Geschichte begleiten, und die zeigen, wie kompliziert diese einfache Geschichte der Rettung in Wahrheit war. In den Schubladen kann man auch Texte finden, die Esther Dischereit zur Begleitung der Ausstellung verfasst hat und die der Besucher in eine kleine Mappe einheften und mit nach Hause nehmen kann – eine schöne Idee, die der Ausstellung Nachhaltigkeit verleiht.
Im Technikmuseum ist die Ausstellung an geeigneter Stelle platziert. Hier hatte sich bereits der viel zu früh verstorbene Kustode des Deutschen Technikmuseums Alfred Gottwaldt intensiv mit der Verstrickung der Deutschen Bahn in den nationalsozialistischen Staat befasst. Denn ohne die Bahn wären die Deportationen, für die von den Deportierten Fahrkarten der 3. Klasse zu lösen waren, nicht möglich gewesen, wie Dr. Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, bei der Eröffnung in seiner Rede deutlich machte. Im Technikmuseum steht ein solcher Wagen, in dem die Menschen auf 0,2 Quadratmetern pro Person oft tagelang eingepfercht waren, direkt neben der Wanderausstellung. Er stellte auch fest, dass der Antisemitismus nicht erst 1933 begann und 1945 endete – eine Tatsache, die man sich immer wieder vor Augen führen sollte.
Eine Aufgabe der Ausstellung ist das Würdigen und Bewahren der Erinnerung an Menschen, die in einer Zeit, in der Menschen aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen verfolgt, diskriminiert und ermordet wurden, menschlich gehandelt haben. Dies gelingt mit diesem innovativen multimedialen Konzept hervorragend. Ein Besuch ist sehr zu empfehlen, es sollte Zeit mitgebracht werden.
Die Ausstellung ist bis zum 30. April 2023 im Deutschen Technikmuseum in Berlin und ab
Anfang Mai in Chemnitz im Kontext der jüdischen Kulturtage zu sehen. Weitere
Ausstellungsorte sind in Planung.
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