Am Freitag, den 4. Dezember, wurde der vor zwei Wochen eröffnete Prozess gegen Ursula Haverbeck fortgesetzt. Ihr wird zur Last gelegt, im März 2018 in einem Video des ebenfalls wegen Volksverhetzung vor kurzem verurteilten Rechtsextremisten Nikolai Nerling wiederholt den millionenfachen Mord an den europäischen Jüdinnen:Juden in der Shoah geleugnet zu haben. Dafür verurteilte sie das Gericht zu einer einjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Zur Verhandlung im Saal 101 des für Strafsachen zuständigen Berliner Amtsgerichts im Stadtteil Moabit ist die 92-jährige jedoch nicht selbst erschienen. Im Netz kursierten im Vorfeld Gerüchte, dass der Prozess wegen Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten abgesagt werden müsste. Soweit kam es jedoch nicht. Für die Fortsetzung genügte die Anwesenheit ihres Pflichtverteidigers Wolfram Narath, ehemals Vorstand der mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend und NPD-Mitglied. Der rechtsextreme Szeneanwalt vertritt seit vielen Jahren Neonazis und Holocaustleugner:innen. Er genießt wegen seiner Verteidigungstrategien, die darauf abzielen die Legitimation der Gerichte in Frage zu stellen, in der Szene großes Ansehen.
Der Fortsetzungstermin hatte sich als notwendig erwiesen, da Nikolai Nerling als Zeuge zum Sachverhalt aussagen sollte. Der unter dem Namen „Der Volkslehrer“ bekannte Neonazi machte jedoch von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er ist selbst wegen der Verbreitung des Videos, in dem Ursula Haverbeck die Shoah leugnete, angeklagt. So wurden vor allem die Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung vorgelesen.
Die Staatsanwaltschaft sah den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB bestätigt. Sie forderte ein 1 Jahr Haft ohne Bewährung, da aufgrund ihrer Vorstrafen und ihrer Uneinsichtigkeit von Haverbeck keine Besserung in Sicht sei. Strafverteidiger Narath sah dies wie zu erwarten anders. Er forderte in seinem knapp einstündigen Plädoyer den Freispruch für seine Mandantin. Wie auch bei vorangegangenen Prozessen zweifelte er die Rechtsprechung an und sah darin einen menschenrechtsverletzungen Eingriff in die Meinungsfreiheit.
So habe laut Narath Haverbeck lediglich nach Antworten auf ihre “Kritischen” Fragen gesucht und sei nun mal eine alte Frau die ihre Überzeugungen habe. Dass seine Äußerungen selbst nahe an der Relativierung der Shoah waren, zeigt seine Aussage,dass die Leugnung anderer Genozide nicht unter den Paragrafen 130 falle. Zudem sehe er sich in seinem Recht als Verteidiger beschränkt, da die Massenvernichtung der Jüdinnen:Juden durch die Nationalsozialist:innen juristisch als Tatsache gewertet werden und das Gericht daher gezwungen sei ein Urteil zu fällen. Dass Ursula Haverbeck deshalb verurteilt werden soll, könne er nicht mit gutem Gewissen mittragen.
Der vorsitzende Richter kam jedoch zu einer ähnlichen Einschätzung wie die Staatsanwaltschaft, deren Forderungen das Gericht weitgehend folgte.Schließlich wurde Ursula Haverbeck zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Damit muss die Rechtsextremistin erneut in Haft – erst vor wenigen Wochen wurde sie aus dem Gefängnis in Bielefeld entlassen.
Ursula Haverbeck gilt als notorische Holocaustleugnerin. Bereits acht mal stand sie deswegen vor Gericht, zuletzt ebenfalls vor dem Berliner Amtsgericht im Oktober 2017. Das niedersächsische Amtsgericht Verden verurteilte sie 2016 zu insgesamt zweieinhalb Jahren Haft.
Dass die unter Neonazis beliebte Haverbeck viele Anhänger:innen hat zeigt auch das rege Interesse an dem Prozess. Etwa zehn Symphatisant:innen aus der rechtsextremen Szene waren erschienen, um die Verhandlung im Zuschauer:innenbereich zu verfolgen. Zugelassen wurden maximal acht. Darunter waren bekannte Rechtsextremist:innen, wie Sigrid Schüßler und Reza Begi. Der aus Köln stammende Antisemit Begi wird sich wohl auch bald selbst auf der Anklagebank wiederfinden. Kurz vor Beginn der Verhandlung leugnete er gegenüber dem Jüdischen Forum den Holocaust und äußerte sich dabei mit ähnliche Argumentationen wie sein Vorbild Ursula Haverbeck.
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