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Bürgerbegehren in Prenzlau: Populismus in der Kommunalpolitik


18.04.2023, Prenzlau, "Nein zum Asylheim im Gewerbegiebt Prenzlau Ost"

Seit Beginn des Jahres wird in Prenzlau in der Uckermark verstärkt über die Unterbringung von Geflüchteten debattiert. Ergänzend zu der bereits bestehenden Unterkunft in der Berliner Straße soll eine zweite in einem Gewerbegebiet der Stadt entstehen. Das Land Brandenburg hatte die Unterbringung in Prenzlau angewiesen. Der Kreistag beschloss am 18. April mit einer einfachen Mehrheit die Neuerrichtung nach einer kontroversen Debatte. Die Landrätin der CDU, Karina Dörk, setzte den Antrag mit Stimmen der Linkspartei, der Grünen sowie der SPD durch. Teile ihrer eigenen Partei enthielten sich oder stimmten, wie die Fraktion der AfD, dagegen.


Mobilisierung gegen Geflüchtete


Am Tag vor der damaligen Sitzung schlossen sich etwa 350 Menschen einer AfD-Kundgebung auf dem Prenzlauer Marktberg an. Die radikale Ablehnung der Aufnahme von Asylsuchenden offenbarte sich hier deutlich. Die teilnehmenden AfD-Politiker vom Kreisverband Uckermark verbreiteten Schreckensszenarien hinsichtlich der Aufnahme weiterer Geflüchteter. Völkisches Gedankengut und rassistische Verallgemeinerungen prägten die Reden. Asylsuchende seien eine fundamentale Gefahr für Prenzlau, so der Tenor.


Schon wenige Wochen zuvor hatte am selben Ort eine Demo gegen „kriminelle Migrantenclans“ stattgefunden. Auslöser war eine Debatte in Prenzlau über Straftaten von Menschen mit tschetschenischer Herkunft. Als Redner trat damals, wie auch im April, Hannes Gnauck in Erscheinung. Gnauck ist Vorsitzender der als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD-Jungedorganisation Junge Alternative. In seiner Rede bezeichnete er Geflüchtete verallgemeinernd als Kriminelle und verbreitete in diesem Kontext rassistische Narrative. Gnauck äußerte seine Verachtung gegenüber westdeutschen Großstädten sowie dem restlichen Parteienspektrum. Demonstrativ bezeichnete er Berlin als „shithole“ oder „failed state“. Zudem sprach er explizit von der Verteidigung der eigenen Heimat, um dann zu verkünden: „Wir werden uns unser Land zurückholen!“


Erfolgreiche Unterschriftenaktion der AfD


Nachdem der Kreistag im April die Errichtung der neuen Unterkunft beschlossen hatte, versuchte die lokale AfD die Aufnahme zu kippen. Felix Teichner und Klaus-Martin Bastert (beide AfD Uckermark) initiierten im Juni ein Bürgerbegehren gegen die Errichtung der neuen Unterkunft. Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren in Brandenburg werden mindestens zehn Prozent der Stimmen aller wahlberechtigten Bürger:innen in der Kommune benötigt. Im Falle der Uckermark bedeutete das ca. 10.000 Stimmen.


Bürgerinitiativen sind ein Instrument in der Kommunalpolitik, das zunehmend Verwendung findet im Kontext geplanter Geflüchtetenunterkünfte. Ein zentraler Bestandteil der AfD-Strategie ist die Inszenierung als Partei der „einzig wahren Volksvertreter“. Es handelt sich um eine gängige Strategie populistischer Parteien, in der die Erzählung eines homogenen Volkswillens konstruiert wird. Die Asyl- beziehungsweise Migrationspolitik sind zentrale Themen der Partei. Unterschriftenaktionen wie im Falle Prenzlau eignen sich folglich als Instrument der Selbstvermarktung.


In etwa drei Wochen sammelten die Initiatoren über 13.000 gültige Unterschriften, sodass die benötigte Mindestanzahl an Stimmen deutlich erreicht wurde. Ziel war es, auf einen Bürgerentscheid hinzuwirken. Im Falle Prenzlaus hätte dies bedeutet, dass im Rahmen einer kommunalen Abstimmung über eine konkrete Fragestellung mindestens 25 % der Bürger:innen den Entscheid befürworten müssen.


Im gleichen Zuge starteten zwei Kommunalpolitiker der CDU eine eigene Unterschriftenaktion gegen das neue Asylheim. Als Grund hierfür wurden Sicherheitsbedenken für die Bevölkerung sowie „beunruhigende Fakten“ genannt. Fraglich blieb, auf welche Fakten man sich dabei bezog. Der Erfolg blieb in diesem Fall aus, man verpasste die benötigte Stimmenanzahl deutlich.


Kompromiss statt Bürgerentscheid


Am 27. September fand eine weitere Kreistagssitzung statt, in der erneut über die Unterbringung der Geflüchteten debattiert wurde. Zuvor äußerte Landrätin Dörk ihre Skepsis bezüglich der Zulässigkeit des AfD-Bürgerbegehrens. Ihre Argumentation stützte sich auf die Rechtsnorm, dass es sich bei der Aufnahme von Geflüchteten um eine „Pflichtaufgabe des Landkreises zur Erfüllung nach Weisung des Landes handele“ (gem. § 2 Abs. 1 LAufnG; § 15 Abs. 5 Nr. 1 BbgKVerf). Dieser Sichtweise schloss sich der Kreiswahlleiter an, welcher für die Prüfung der Zulässigkeit der Unterschriftensammlung zuständig ist. Zudem seien Formfehler seitens der AfD begangen worden.

Während der Kreistagssitzung, bei der unter anderem Jürgen Elsässer (Compact Magazin) und die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin zugegen waren, versuchten die Akteure der AfD den Bürgerentscheid in das Zentrum der Sitzung zu rücken. Die Initiatoren argumentierten, der Bürgerentscheid richte sich gegen den konkreten Standort der neuen Unterkunft und nicht gegen die grundsätzliche Aufnahme von Geflüchteten. Diese Argumentation steht im Widerspruch zu den auf den Demonstrationen getätigten Aussagen, man wolle grundsätzlich keine Geflüchteten in Prenzlau.


Die AfD als angeblich „wahre Volksvertreter“


Dieses Vorgehen lässt sich als eine Art „Doppel-Strategie“ beschreiben, die man ebenso auf Landes- und Bundesebene verfolgt. Auf der Straße mobilisiert man mit radikaler und entgrenzter Rhetorik, während man Auftritte in Parlamenten und Kreistagen zur Provokation und zur Generierung von Aufmerksamkeit nutzt. Dass es bei dem Bürgerbegehren tatsächlich um Letzteres ging, lässt sich mit der Aussage einer Kreistagsabgeordneten belegen, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens sei bereits vor der Initiierung bekannt gewesen.


Zudem wurde die AfD in ihrem Vorhaben unterstützt: Als Teil der Strategie lassen sich auch die Beiträge von Compact und Ein Prozent begreifen, welche fortlaufend über das Bürgerbegehren in Prenzlau berichteten beziehungsweise dafür mobilisierten. Sie verwiesen auf die erfolgreichen Bürgerentscheide zur Verhinderung der Neuerrichtung von Asylunterkünften in Grevesmühlen und Greifswald, denen ebenfalls jeweils Bürgerbegehren vorausgegangen waren. Kürzlich wurde außerdem bekannt, dass in Fürstenau in Niedersachsen ein weiteres Bürgerbegehren gegen eine Unterkunft für Geflüchtete initiiert worden ist.


Die Vorgehensweise führte in zweifacher Hinsicht zu Erfolg: Die Inszenierung funktionierte, es wurde überregional über das Thema berichtet. Zudem wird möglicherweise der Eindruck entstanden sein, die AfD habe sich im Gegensatz zu den anderen Parteien den Sorgen der Einwohner:innen tatsächlich angenommen. Demgegenüber steht das „Parteien-Establishment“, welches angeblich mit juristischen Tricks die volksnahe Politik der Initiatoren konterkariert. Diese Erzählung spiegelt sich in einem Instagram-Clip Hannes Gnaucks nach der Sitzung wider. Seiner Auffassung nach sei „hier die Demokratie mit Füßen getreten worden.“ Die AfD werde trotzdem als „wahre Volksvertreter“ weiterhin für die Menschen in Prenzlau einstehen. Den eigentlichen Grund für das Nichtinkrafttreten des Bürgerentscheids teilte er hingegen nicht mit.


Ebenso wenig ging er in seinem Statement auf die realpolitischen Folgen der Kreistagssitzung ein. Die Landrätin beantragte erfolgreich die Errichtung der Unterkunft für 180-200 anstatt der ursprünglich geplanten 300 Menschen. Der Antrag über die Durchführung des Bürgerbegehrens wurde hingegen abgelehnt, lediglich die Fraktion der Freien Wähler sowie eine Abgeordnete der Linkspartei stimmten mit der AfD-Fraktion für die Durchführung des Bürgerentscheids.

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