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Tausende Corona-Leugner:innen protestieren in Berlin am 25.10.2020 gegen den WHS 2020

Am Sonntag, den 25. Oktober, sollte eigentlich der World Health Summit in der Berliner Veranstaltungslocation „Kosmos“, einem ehemaligen Kino im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, beginnen. Aufgrund der nach wie vor grassierenden Corona-Pandemie, die im Moment auch in Deutschland wieder zu steigenden Zahlen von Infizierten führt, findet der dreitägige Gesundheitsgipfel jetzt allerdings nur digital statt. Das hielt mehr als 2.000 Corona-Leugner:innen um die „Querdenken“-Bewegung jedoch nicht davon ab, für diesen Tag nach Berlin zu einer Demonstration dagegen zu mobilisieren.

Beginnen sollte der Aufmarsch um 12 Uhr auf dem Alexanderplatz. Aufgerufen hatte ein Bündnis rund um die Initiative „Querdenken”. Erschienen waren mehrere tausend Menschen, jedoch kam es bereits gleich zu Beginn zu Komplikationen: Wegen fehlender Abstände und der Weigerung eines Großteils der Teilnehmenden einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wollte die Berliner Polizei den Aufzug nicht loslaufen lassen. Es kam dabei zu ersten Auseinandersetzungen mit Polizist:innen und zu vereinzelten Festnahmen. Dabei herrschte eine recht chaotische Stimmung. Die Polizei schien bereits hier überfordert, was mitunter an der geringen Zahl der eingesetzten Beamt:innen gelegen haben könnte. Ein Sprecher der Polizei gab im Verlauf des Tages an, dass lediglich 600 Kräfte eingesetzt wurden.


Der Anmelder der Versammlung löste den Aufmarsch gegen 13 Uhr auf und rief dazu auf, zum Veranstaltungsort Kosmos in der Karl-Marx-Allee zu ziehen. Gleich neben dem Alexanderplatz an der Otto-Braun-Straße versammelten sich zur gleichen Zeit etwa 40 Menschen bei einer Kundgebung von „Querdenken 030“. Warum sich die Berliner „Querdenker“ vom Rest der Versammlungen abspalteten, war nicht ersichtlich.

Der Großteil der Teilnehmenden der aufgelösten Demonstration am Alexanderplatz zog schließlich zum Tagungsort, wo sich gegen 14 Uhr etwa 2.000 Menschen einfanden. Auf dem Weg dorthin formierte sich eine unangemeldete Demonstration. Die Polizei schien hier erneut überfordert und konnte die Menschenansammlungen nur schwer unter Kontrolle bringen. Vor Ort wirkte die Menge etwas unorganisiert. Die mobile Bühne kam erst deutlich verspätet und bis dahin vertrieben sich die „Querdenken“-Anhänger:innen ihre Zeit mit „Wir sind das Volk“ und „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“-Rufe. Auch das Umdichten bekannter Popsongs gehörte zum Zeitvertreib, etwa dem Lied „Schrei nach Liebe“ der Berliner Band „Die Ärzte“, die sich erst vor Kurzem gegen die Verschwörungsideolog:innen offen ausgesprochen hatten.

Während die Demonstrant:innen in Friedrichshain noch auf genauere Ansagen warteten, versammelten sich zeitgleich einige Kilometer weiter am Brandenburger Tor ebenfalls Anhänger:innen von diffusen Verschwörungsmythen. Bodo Schiffmann war mit seinem Bus gekommen und als Gast trat dort der Rechtsextremist Attila Hildmann auf. Dieser hatte jedoch nichts Neues zu sagen und monierte in bekannter Manier, dass eine „Pharmamafia“ sich gegen das „deutsche Volk“ verschworen habe, um an ihm einen Genozid zu verüben – weiterhin sei Angela Merkel weiterhin Kommunistin und Bill Gates Finanzier und Drahtzieher der vermeintlichen genozidalen Zwangsimpfungen. Lediglich 200 bis 300 Menschen wohnten der Versammlung bei.

Mit dem Eintreffen der Bühne sollte auch das Programm vor dem „Kosmos“ starten. Da sich der Aufbau noch etwas hinzog, heizte inzwischen Dr. Heiko Schöning mit kleinen Gesangseinlagen die Menge an. Das hatte fast schon Festival-Charakter. Ansonsten bot das Programm der „Querdenken“-Versammlung inhaltlich und personell wenig Neues. Die Behauptung einer Pharma-Mafia, die Leugnung der Gefährlichkeit des Virus und der Aufruf zum Widerstand gehören inzwischen zum üblichen Standardrepertoire des Skandierten. Da das mit dem Widerstand so schleppend geht, kündigte ein Vertreter der Querdenker-Bewegung an, ab dem 1. Januar 2021 in allen Bundesländern flächendeckend und dauerhaft zu demonstrieren. Möglicherweise wird dieser Widerstand dann aber ebenfalls an dem fehlenden Einhalten der Pandemie-Bestimmungen scheitern. Denn trotz mehrmaliger Durchsagen der Polizei waren die Teilnehmer:innen auch diesmal nicht willens diese einzuhalten, und so löste der Veranstalter die Versammlung von sich aus um 15.40 Uhr auf. Die Polizei forderte daraufhin die Teilnehmenden mehrfach auf, das Gebiet zu verlassen. Der Aufforderung kamen allerdings nur wenige Menschen nach, so dass die Polizei teils massiv in die Menge ging und vermehrt Menschen kurzfristig festnahm. Das hin und her zog sich bis in die Abenddämmerung und auch nach über zwei Stunden befanden sich noch mehrere hundert Menschen auf der Karl-Marx-Allee.

Die Teilnehmer:innen waren diesmal nicht so heterogen wie bei den vergangenen, vergleichbaren Aufmärschen. Unter ihnen wurden nur vereinzelt offensichtliche Neonazis und Anhänger:innen von QAnon oder der Reichsbürger-Bewegung gesichtet. Einige Teilnehmende suchten vielmehr ihr Heil in Gott. Auf einem Transparent war zu lesen, dass Deutschland wieder zu Gott finden müsse. Auf einer Deutschland-Fahne wurde Jesus Christus gehuldigt.

Gut dokumentiert war der Aufmarsch auch von einer Vielzahl an Kamerateams. Darunter waren bekannte Gesichter wie Matthäus Westfal alias „Aktivist Mann“, Martin Lejeune und Anne Höhne sowie Stefan Bauer. Während fleißig jede einzelne Festnahme dokumentiert wurde, machten sich einige auch Gedanken über die Zukunft der Bewegung. Der rechte AfD-YouTuber Bauer stellte in seinem Livestream auf YouTube resigniert fest, dass das Volk wohl noch etwas brauche um zu erkennen, dass es mit Beten und Singen nicht mehr weitergeht.

Während die Teilnehmendenzahlen langsam stagnieren bzw. abnehmen, scheinen Andere den aufpeitschenden Worten von Hildmann und Co. Taten folgen zu lassen. Gestern Nacht verübten bislang Unbekannte einen versuchten Brandanschlag auf das Gebäude des Robert-Koch-Instituts. Verletzt wurde niemand, aber eine Verbindung zur Querdenken-Szene liegt möglicherweise nahe. Das würde, sollte es sich bewahrheiten, zeigen, dass sich die Szene immer weiter radikalisiert.



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