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Shoa-Relativierung und Drohungen gegen Funktionsträger am Brandenburger Tor

Am 22.01.2021 trafen sich Gegner:innen der Coronamaßnahmen der Bundesregierung vor dem Brandenburger Tor in Berlin, um für die Pressefreiheit zu demonstrieren. Unter den Teilnehmenden waren Anselm Lenz von der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand (KDW), Eva Rosen, ehemalige Vorsitzende des Vereins WIR2020 und Teilnehmerin der “Frauen Bustour” und Markus Haintz, Corona-Anwalt von “Querdenken 711”, der unter den Coronaleugner:innen und Coronamaßnahmenkritiker:innen aktuell, man mag es kaum glauben, als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt wird.


Ein Beweggrund für den Protest für die Pressefreiheit sei laut Anselm Lenz die temporäre Festnahme einer Vertreterin der “freien Presse” aus den Reihen der Coronademonstrant:innen auf einer Kundgebung von “Querdenken 30” am 9. Januar 2021 auf dem Alexanderplatz gewesen. Auch sei es wiederholt zu anderen Maßnahmen und Einschränkungen von freien, also „hauseigenen“ Pressevertreter:innen durch Polizei und Behörden gekommen.


Lenz selbst, so berichtete er, hatte eine berufliche Einschränkung erfahren, als ihm die „taz“, für die er vor einigen Jahren als freier Journalist gearbeitet hatte, in Folge seines Aktivismus gegen die Coronaschutzmaßnahmen die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Dafür habe er aber in seiner Arbeit für die Protestzeitschrift „Demokratischer Widerstand“ einen unerwarteten „Karriereschub“ erhalten und freue sich nun darüber, dass diese Zeitschrift nach eigener Aussage zur „zweitauflagenstärksten Wochenzeitung im deutschsprachigen Raum“ zähle. Dass das bei einer kostenlosen und auch frei als E-Paper verfügbaren Zeitung wenig aussagekräftig sein dürfte - geschenkt.


Neben der Zeitschrift ging Lenz außerdem auf das Archiv der KDW ein, in dem seit Beginn der Coronapandemie alle Beschlüsse, Maßnahmen, Vorfälle und Ereignisse im Zusammenhang mit den Coronaeindämmungsmaßnahmen und den Demonstrationen dagegen festgehalten werden. Dieses Archiv sei Zeugnis für all die politischen Missstände in Deutschland und würde später dabei helfen, so Lenz, die Verantwortlichen “zur Verantwortung” zu ziehen. “Niemand” könne davon ausgehen, “vor einer Strafe sicher zu sein”, mahnte er.


Nach Lenz prangerte Markus Haintz das gewalttätige Agieren von Polizeikräften gegen die rein friedliche Bewegung der Coronaproteste an, die er in den vergangenen Monaten beobachtet hatte, und zeigte sich wütend darüber, dass die Polizeibehörden mit wiederum offensichtlich gewaltsamen Demonstrationen auf Kuschelkurs gegangen seien.

In eine Reihe mit diesen fragwürdigen Darstellungen der Verhältnisse auf den vergangenen Demonstrationen und der Opferinszenierungen der Corondemonstrant:innen fiel die Kritik an der vermeintlich einseitigen und manipulierten Berichterstattung durch die „Mainstreammedien“.


Wie wichtig seien doch freie Meinung und freie Presse für eine funktionierende Demokratie, verlautbarte eine Rednerin. Dabei ließen sowohl sie als auch die anderen Akteur:innen an diesem Tag unerwähnt, mit wie viel Hass und Feindseligkeit Coronademonstrant:innen den Pressevertreter:innen auf ihren Veranstaltungen begegnen und mit welcher Vehemenz sie alle Medienberichte, die nicht ihrer Meinung entsprechen, als staatlich gesteuerte Propaganda verteufeln.


Einen negativen Höhepunkt erreichte die Opferinszenierung vor dem Brandenburger Tor als sich „Björn Banane“, ein Musiker vom Ballermann, mit Jüdinnen und Juden der 30er Jahren verglich, weil er der Polizei ein Attest zur Maskenbefreiung vorzeigen oder einen Platzverweis erdulden müsse. Diese Vergleiche mit den Opfern des Nationalsozialismus sind eine gängige Erscheinung auf den Coronademonstrationen. Sie spiegeln die Geschichtsvergessenheit, den Opferneid und die Selbstüberhöhung dieser Menschen wider, sind z.T. offen antisemitische Angriffe, und stellen die tatsächlichen Leiden der millionenfachen Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Frage.


Eine skurrile Wende erhielt die Veranstaltung am 22.01., als sich ein Redner mit russischem Hintergrund zur Nawalny-Affäre äußerte. Ob den Deutschen schon mal aufgefallen sei, dass von 150 Millionen Russinnen und Russen nur ein „Nawalny-Gauner“ von der deutschen Regierung nach Deutschland geholt worden sei, fragte er, um hier auf Kosten der deutschen Steuerzahler „angeblich“ behandelt zu werden. In Russland wisse man ganz genau, dass es sich bei Nawalny um einen „dreckigen Agenten“ Angela Merkels handle, führte er weiter aus, und wurde dann von Markus Haintz unterbrochen, der ihn darauf hinwies, dass es in dieser Veranstaltung nur um die Pressefreiheit gehe. Skurril, aber wenig überraschend mag es anmuten, dass ein solch pro-russischer und anti-westlicher Gastredner unter das heutige Publikum mischte. Das Berliner Querfront-Spektrum ist schon lange durch eine derart einseitige Russland-Parteinahme geprägt, nicht zuletzt bei den sog. Mahnwachen für den Frieden bzw. “Endgame”. Dass es hier personelle Kontinuitäten gibt, ist mehrfach dokumentiert worden.


Damit endet der Abend als einer, der trotz aller Skurrilität und holocaustverharhmlosender Geschmacklosigkeit doch in eine Kontinuitätslinie nicht nur zur Coronaquerfront, sondern zu weiteren Querfronten der jüngsten Zeitgeschichte einreiht. Am Ende wurde noch über die Melodie von “Auld Lang Syne” eine Ode auf die Freiheit gesungen, aber das war es dann auch.



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