Am Samstag, den 15.02.2020, hatten deutsche und internationale Rechtsextreme anlässlich des 75. Jahrestags der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Jahr 1945 zu einem sogenannten „Trauermarsch“ durch die Dresdner Altstadt aufgerufen. Dem Aufruf zu dem jährlich stattfindenden Aufzug folgten auch dieses Jahr über 1.000 Rechtsextreme. Aufgrund erfolgreicher Blockaden von über 2000 Gegendemonstrant*innen konnte die Demoroute streckenweise verhindert werden. Der rechtsextreme Aufmarsch endete bereits nach etwa einer Stunde mit einer Abschlusskundgebung vor dem Dresdner Hauptbahnhof.
Der Marsch wurde angemeldet durch den Neonazi Maik Müller (NPD Sachsen & Dresden, Landesvorsitz Junge Nationalisten Sachsen). Der Aufruf ging von der Seite dresden-gedenken.info aus, geteilt hatten ihn unter anderem die rechte Internetseite pressecop24.de, Einzelpersonen wie der „Volkslehrer“ Nikolai Nerling und der Neonazi Tommy Frenck sowie verschiedene Die-Rechte- und NPD-Verbände.
Unter den Teilnehmer*innen waren zentrale Akteure der Neonaziszene und dem Kameradschaftsmilieu wie Thorsten Heise (NPD) und die Kameradschaft Northeim sowie der Neuen Rechten, u.a. die international vernetzte Organisation Europa Terra Nostra, die der Identitären Bewegung nahesteht. Auch Personen aus dem verschwörungstheoretischen Spektrum und Holocaustleugner wie Christian Bärthel beteiligten sich mit Redebeiträgen während der Kranzniederlegung. Neben Anhänger*innen der rechtsextremen Hooligan- und Kampfsportszene wie der Gruppe Brigade 8, fielen auch für die Szene bekannte Codes wie die Zahlenkombination 28 auf: ein Verweis auf das verbotene Neonazi-Netzwerk Blood and Honour, dessen paramilitärischer Arm Combat 18 erst kürzlich verboten wurde. Auch Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel befand sich unter den Teilnehmer*innen. Dem Aufruf folgten weitere Aktivisten der internationalen rechtsextremen Szene, z.B. aus Frankreich, den USA und Großbritannien.
Einschlägige rechtsextreme Symboliken wie Runen oder durchgestrichene Davidsterne, szenetypische Bekleidung der Marken Ansgar Aryan oder Nordic War Clothing (Brigade 8) waren unter den Teilnehmer*innen des rechtsextremen Marsches weit verbreitet. Vereinzelt wurden holocaustrelativierende Plakate gezeigt (siehe Video). Einige Demonstrierende waren vermummt. Qua Auflage verboten hatte die Polizei Sachsen neben strafrechtlich relevanten Symbolen „Bomberjacke und Springerstiefel“ – hier könnte man etwas Nachholbedarf auf Seiten der Exekutive unterstellen.
Die begleitende Teilnahme von Journalist*innen an der rechtsextremen Demonstration war im Vorfeld massiv eingeschränkt worden. Der Anmelder hatte erwirkt, dass nur ausgewählte Journalist*innen an der Demonstration teilnehmen durften. Alle anderen mussten den Demonstrationszug von weit weg beobachten und dokumentieren. Medienvertreter*Innen sollten sich im Vorfeld über die Seite dresden-gedenken.info bei der Organisationsleitung anmelden.
Am Rande kam es immer wieder zu Übergriffen durch die Polizei auf Gegendemonstrant*Innen. Eine Pferdestaffel der Polizei ist direkt durch eine Menschenmenge geritten und hat damit ein sehr hohes Verletzungsrisiko der teilnehmenden Personen in Kauf genommen. Es wurde weiterhin die Anwendung von Schmerzgriffen dokumentiert.
Ähnlich wie bei der AfD in Bezug auf die Erinnerung an die Bombardierung von Dresden steht auch in den Redebeiträgen des „Trauermarschs“ das Ringen um die Zahl deutscher Opfer im Vordergrund. So ist nicht unbedingt die Einigkeit der rechtsextremen Szene an diesen Tagen in Dresden das Auffällige, sondern das Ineinandergreifen und Changieren des rechten bis rechtsextremen Spektrums um den Versuch der Relativierung und Normalisierung deutscher Verbrechen im Sinne der Stärkung nationalistischer Identitätspolitiken.
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