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Keine „heiteren“ Spiele – Elf Israelis und ein Polizist werden beim Olympia-Attentat 1972 getötet

Aktualisiert: 7. Okt. 2022


27 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus fanden 1972 die Olympischen Sommerspiele in München statt. Sie wurden unter dem Motto „die heiteren Spiele“ ausgetragen und sollten zu einer veränderten Wahrnehmung Deutschlands beitragen, um die NS-Verbrechen hinter sich zu lassen. Das Ereignis wurde als Gegenpol zu den unter dem Hakenkreuz stehenden Propagandaspielen Hitlers deklariert. Das NS-Regime instrumentalisierte die 1936 abgehaltenen Sommer- und Winterspiele, um die angebliche Überlegenheit der „arischen Rasse“ zu manifestieren. Von der menschenverachtenden Ideologie wollte man sich 36 Jahre später ausdrücklich abgrenzen und den deutschen Wandel hin zur Demokratie demonstrieren. Es sollte ein neues, weltoffenes und gastfreundliches Gesicht gezeigt werden.


Die ganze Welt blickte auf Deutschland. Die gebürtige Münchnerin Charlotte Knobloch, seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie engagiert in der Politik, erinnert sich: „Die Olympischen Spiele in München, das war eine Herausforderung und ein wunderschöner Gedanke, der in die Realität umgesetzt wurde. Die herrlichen Farben sind mir bis heute in Erinnerung.“

Internationale Begeisterung kam auf, als der Schwimmer Mark Spitz sämtliche Weltrekorde brach und sieben Goldmedaillen gewann. Die siebzehnjährige Kunstturnerin Olga Korbut wurde erst zum Publikumsliebling, später zur tragischen Heldin, als sie in der Mehrkampfkonkurrenz stürzte. Bei den folgenden Disziplinen wiederum konnte sie glänzen und holte mehrfach Gold. Die US-amerikanische Basketballmannschaft der Herren verlor in einem umstrittenen Finale mit 50:51 gegen die Sowjetunion und ging erstmals in der olympischen Geschichte nicht als Sieger aus dem Endspiel hervor. Das Konzept schien aufzugehen und viele zeigten sich überrascht in Anbetracht der deutschen Lockerheit.


Heiterkeit vor Sicherheit

Um das Bild des friedlichen und toleranten Deutschlands zu unterstreichen, wurden sogar die Sicherheitsbestimmungen gelockert. Anstatt von uniformierten Polizist:innen und Soldaten übernahmen unbewaffnete Sicherheitskräfte in modischer Kleidung den Schutz der Athlet:innen und des Publikums. Die „heiteren“ Spiele sollten nicht gestört werden. Zur Konsequenz hatte diese Nachlässigkeit, dass ausdrückliche Terrorwarnungen ignoriert wurden und es ergaben sich massive Sicherheitsdefizite und -lücken. Dies wurde der israelischen Delegation am 5. September 1972 zum Verhängnis.

An diesem Tag und in der darauffolgenden Nacht töteten palästinensische Terroristen elf Israelis und einen deutschen Polizisten: der Ringertrainer Mosche Weinberg, die Gewichtheber David Mark Berger, Zeev Friedmann und Josef Romano, die Kampfrichter Yossef Gutfreund und Yakov Springer, die Ringer Eliezer Halfin und Mark Slavin sowie der Fechttrainer André Spitzer, der Leichtathletiktrainer Amitzur Schapira und der Schützentrainer Kehat Shorr als auch der Polizist Anton Fliegerbauer


Angriff auf die freie Welt

Israels Teilnahme an der Olympiade, nur 27 Jahre nach der Shoah, hatte bedeutende Symbolkraft. Einige der Athlet:innen verloren während des Holocausts Familie und Angehörige. Dennoch schwenkten sie, lediglich zehn Kilometer vom ehemaligen Konzentrationslager Dachau entfernt, die israelische Flagge auf deutschem Boden. Dadurch signalisierten sie einerseits die jüdische Widerstandsfähigkeit und andererseits die Bereitschaft, ein anderes Deutschland zu akzeptieren.

Shmuel Lalkin, Leiter der israelischen Olympiadelegation, überlebte den Terroranschlag. Einen Tag nach dem Attentat beschrieb er die Motivation zur Teilnahme seiner Mannschaft auf der Trauerfeier: „Die israelischen Sportler kamen nach München, um an den 20. Olympischen Spielen teilzunehmen, mit olympischer Zuversicht, in Freundschaft, Ehrlichkeit und Frieden, Seite an Seite mit den Athleten dieser Welt.“

Die Terroristen wollten diese friedvollen Absichten torpedieren. Es handelte sich nicht allein um einen Angriff auf israelische Sportler oder Israel selbst. Die gesamte freie Welt wurde attackiert.


Die Geschehnisse um den 5. September 1972

Palästinensische Terroristen der Organisation Schwarzer September profitierten am Tag des Attentats von den mangelnden Sicherheitsvorkehrungen und nutzten diese kaltblütig aus. Sie kletterten am frühen Morgen des 5. Septembers in Trainingsanzügen als Athleten verkleidet über einen unbewachten Zaun und drangen bewaffnet mit Maschinengewehren, Pistolen und Granaten in das Olympische Dorf ein. Die Terroristen überfielen die Unterkunft der israelischen Athleten in der Connollystraße 31, wobei sie nach Gegenwehr den Ringertrainer Mosche Weinberg töteten und den Gewichtheber Josef Romano schwer verwundeten. Neun weitere Israelis wurden zur Geisel genommen.


Eine Polizeibeamtin richtete sich mit einem Appell an die Entführer und bat sie, das Rote Kreuz durchzulassen, um den Verletzten zu helfen. Diese Forderung blieb seitens der Terroristen mit der Rechtfertigung, dass Jüdinnen:Juden keine Menschen seien, unerhört. In der Folge verblutete Romano vor den Augen seiner Mannschaft.

Die Geiselnehmer drohten die Geiseln zu töten, um die Freilassung von 232 palästinensischen und einem japanischen Terroristen aus israelischer sowie zwei RAF-Mitgliedern aus deutscher Haft zu erpressen. Während die deutschen Behörden sich offen für Verhandlungen zeigten, lehnte die israelische Regierung dies konsequent ab. Die frühere israelische Premierministerin Golda Meir begründete die Position ihrer Regierung damals folgendermaßen: „Wenn wir nachgeben, wird sich kein Israeli irgendwo auf der Welt noch seines Lebens sicher fühlen.“


Trotz der sich zuspitzenden Situation wurden die Wettkämpfe fortgesetzt: Wie ursprünglich geplant, begannen pünktlich um 9:00 Uhr die ersten Sportveranstaltungen. Das Tagesgeschehen ging weiter, obwohl neun israelische Sportler als Geiseln gefangen waren und um ihr Leben fürchteten. Erst am späten Nachmittag und infolge des öffentlichen Drucks wurde die Olympiade unterbrochen.


Obwohl der israelische Geheimdienst Mossad im Gegensatz zum deutschen Pendant über eine spezialisierte Antiterroreinheit verfügte, lehnten die deutschen Behörden eine Unterstützung durch israelische Expert:innen ab.


Stattdessen nahm man – trotz der Einwände Israels – Verhandlungen mit den Terroristen auf. Diese wurden dilettantisch geführt und waren durch mangelnde Kommunikation sowie ungeklärte Zuständigkeiten gekennzeichnet.

Die Bundesregierung war überfordert, wirkte planlos und verfolgte keine klare Strategie. Ein erster Versuch, die Geiselnehmer zu überwältigen, wurde abgebrochen, da sich kein freies Schussfeld ergab. Die Ultimaten der Angreifer verstrichen, während die deutschen Medien live über die Geiselnahme aus dem Olympischen Dorf berichteten. Die Polizei versäumte es, die verhängte Nachrichtensperre über die Geschehnisse umzusetzen. Den Terroristen war es so möglich, die aktuellen Bemühungen der Sicherheitsbehörden im Fernsehen und im Radio mitzuverfolgen. Bei erneuten Verhandlungen ließ sich Deutschland nach außen hin auf die Forderung der Palästinenser, die Entführer und ihre Geiseln nach Ägypten auszufliegen, ein. Im Zuge dessen sollten die Terroristen am Flughafen jedoch überwältigt und die Israelis befreit werden.


Man brachte die Terroristen per Hubschrauber auf den naheliegenden Luftwaffenstützpunkt Fürstfeldbruck, wo eine Boeing 727 bereitstand. Diese war bewusst nicht vollgetankt. Zudem tarnten sich junge, freiwillige Streifenpolizisten, die zu Beginn des Tages nicht wussten, wofür sie sich genau gemeldet hatten, als Besatzung. Der Auftrag lautete, die Terroristen in letzter Instanz zu stellen, falls alle vorherigen Befreiungsversuche fehlschlagen sollten. Als dieser Zeitpunkt gekommen war, beurteilten die Polizisten die bevorstehende Aktion aufgrund fehlender Erfahrung als Himmelfahrtskommando ohne Erfolgschancen. Um ihr eigenes Leben zu schützen, brachen sie das Vorhaben ab. In der Konsequenz kam es im Anschluss zu einem verheerenden Schusswechsel zwischen der Polizei und den Geiselnehmern.

Die Befreiungsaktion am Flughafen war zum Scheitern verurteilt. Panzerfahrzeuge kamen zu spät an. Die Anzahl der Terroristen wurde innerhalb der Krisenstäbe falsch übermittelt, sodass nicht ausreichend Scharfschützen am Flughafen positioniert waren. Diese hatten weder eine spezifische Ausbildung noch verfügten sie über eine angemessene Ausrüstung (Präzisionsgewehre, Nachtsichtgeräte, Funkkontakt) für den Einsatz.


Der Regierungssprecher Conrad Ahlers griff darüber hinaus nicht bestätigte Gerüchte am Abend des Fiaskos auf und erklärte die Befreiung der Geiseln fälschlicherweise für gelungen:


Aufgrund dieser Aussage gingen die Angehörigen und die Weltöffentlichkeit zunächst vom Überleben der Gefangenen aus. Erst mehrere Stunden später erfuhr man von der gescheiterten Befreiungsaktion.


„The games must go on!“

Trotz der dramatischen Ereignisse sahen die politischen und sportlichen Funktionäre kein Problem darin, das Sportevent fortzusetzen. Unter Billigung der israelischen Regierung gingen die Spiele nach nur einem Tag Unterbrechung weiter. Der damalige IOC-Präsident Avery Brundage verlautbarte: „The games must go on!“. All das geschah in Abwesenheit der israelischen Mannschaft, die direkt nach der Trauerzeremonie abreiste.

Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten André Spitzer und Sprecherin der Hinterbliebenen, beschreibt die damalige Situation als Dilemma:


Shaul Ladany, ebenfalls beinahe Opfer der Geiselnahme, empfindet die damalige Abreise mittlerweile als Fehler. Die Terroristen hätten so ein zweites Mal gewinnen können. Die Fortsetzung der Spiele ist bis heute umstritten.


Freilassung der Terroristen und Aufarbeitung

Drei der Attentäter überlebten den Schusswechsel und wurden vorläufig inhaftiert. Die Leichen der toten Terroristen wurden nach Libyen überführt, wo man sie als Märtyrer feierte und als Helden begrub. Zu einer juristischen Aufklärung des Attentats kam es nie, da die überlebenden Palästinenser am 29. Oktober 1972 mittels Entführung der Lufthansa-Maschine „Kiel“ von arabischen Luftpiraten freigepresst wurden. Auch sie wurden nach Libyen geflogen und dort gefeiert. Die Terroristen zeigten keine Reue. Heute gibt es Hinweise darauf, dass der verstorbene libysche Diktator Muammar al-Gaddafi den Terroranschlag unterstützte.


Die genauen Umstände der Flugzeugentführung sind auch heute noch ungeklärt. Es halten sich Gerüchte, wonach die Entführung seitens der deutschen Regierung inszeniert oder zumindest mutwillig toleriert worden sei. Der Vorwurf lautet, dass Deutschland einen Deal mit Terroristen abgeschlossen habe, um vor zukünftigen Anschlägen auf deutschem Boden verschont zu bleiben und die Peinlichkeit einer juristischen Aufarbeitung des Versagens der Sicherheitsbehörden in München zu verhindern. Demzufolge sollen dabei mehrere Millionen in die Kassen der Terroristen geflossen sein. Beweise dafür gibt es nicht.


Die Bundesrepublik bemühte sich zwar um Schadensbegrenzung, verfehlte allerdings ihr Anliegen erneut. Es kam zu Diskriminierungen von arabischstämmigen Personen durch verschärfte Grenzkontrollen. Zahlreiche Araber:innen wurden von ihrem Arbeitgeber gekündigt oder aus Deutschland ausgewiesen. Sie dienten als Sündenbock und wurden in diesem Zusammenhang Opfer von Rassismus. Die eigentlichen Drahtzieher und ihre mutmaßlichen Unterstützer, deutsche Neonazis, blieben unbescholten.


Sondereinheit Caesarea und GSG 9

Die israelische Regierung verurteilte das Nachgeben der Bundesregierung gegenüber den Flugzeugentführern und autorisierte daraufhin die Sondereinheit Caesarea ihres Geheimdienstes mit der Liquidierung der Hintermänner des Terroranschlags. Neben einer Abschreckungswirkung sollten die Vergeltungsaktionen den Angehörigen der ermordeten Sportler Genugtuung bringen. Bei den Aktionen kamen auch Unbeteiligte ums Leben. Mit Unterzeichnung des Oslo-Abkommens wurde im Jahr 1994 die Geheimdienstoperation offiziell eingestellt. [1]


Mit Unterstützung des Mossads wurde in Deutschland drei Wochen nach dem Anschlag die Grenzschutztruppe 9 (GSG 9) gegründet: die Spezialeinheit der heutigen Bundespolizei zur Terrorismusbekämpfung. Die Antiterroreinheit wird seitdem bei Terroranschlägen und zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität eingesetzt. 1977 bewährte sich die Einheit erstmals und befreite alle noch lebenden Geiseln der Flugzeugentführung „Landshut“ in Mogadischu.


Jahrzehntelange Vertuschung statt Aufklärung

Die Bundesrepublik sowie der Freistaat Bayern übernahmen keine Verantwortung für die Geschehnisse in München. Stattdessen vertuschte man das Ausmaß der eigenen Versäumnisse.


Auf deutscher Seite gab es weder auf Länder- noch auf Bundesebene personelle Konsequenzen, während in Israel einige Menschen von ihren Ämtern, darunter auch hochrangige, zurückgetreten waren.


Stattdessen machte Georg Wolf, der damalige Vizepräsident der Münchner Polizei, die israelische Regierung aufgrund ihrer Politik für den Terroranschlag verantwortlich – eine Täter-Opfer-Umkehr. Dabei handelt es sich um eine Entlastungsstrategie, die bis heute Anklang findet und insbesondere im israelbezogenen Antisemitismus deutlich wird.

Die Angehörigen der Opferfamilien wurden jahrelang irregeführt. Es wurde versucht, das Versagen der hiesigen Sicherheitsbehörden, so gut es ging, aus der Öffentlichkeit zu halten. 20 Jahre später kopierte ein Archivar Teile der Dokumente aus dem Archiv und wandte sich mit den geheimen Informationen an Ankie Spitzer. Seitdem kämpft sie für die lückenlose Aufklärung und die Offenlegung aller Archive. Diese sind teilweise immer noch mit einer Sperrfrist bis 2047 belegt.


Es dauerte 45 Jahre, den Bitten der Hinterbliebenen nachzukommen und eine Gedenkstätte in München nahe dem Tatort zu schaffen: „Das Denkmal kommt spät, aber nicht zu spät […] Lieber nach 45 Jahren als gar nicht“, so Shaul Ladany.

Im Vordergrund stehen die Biografien der Opfer sowie der Verlauf des Attentats. Charlotte Knobloch sagt, neben dem Gedenken an die Opfer und das Erinnern der Tragödie solle das Mahnmal „Bewusstseinsstiftung und Sensibilisierung gegenüber den allgegenwärtigen Gefahren für unsere Freiheit und unsere Demokratie“ schaffen. In Fürstenfeldbruck ist ein weiterer Erinnerungsort geplant.


Das IOC sträubte sich jahrzehntelang, den Opfern des Terroranschlags offiziell im Rahmen der Olympischen Spiele zu gedenken. Bei den Sommerspielen in Tokio 2021 kam es dann zu dem „historischen Moment“: Den Opfern wurde eine Schweigeminute gewidmet.


Die Forderungen der Angehörigen nach Anerkennung, Aufarbeitung und einer angemessenen Entschädigung wurden dennoch lange ignoriert. Eine Schadensersatzklage scheiterte wegen Verjährung. Bis vor kurzem bestand immer noch keine Einigkeit zwischen den Parteien.


Hilfszusage an Palästinenser:innen in Höhe von 340 Millionen

Der heutige Präsident der Palästinenser:innen, Mahmud Abbas, war schon zu Zeiten des Terroranschlags bei den Olympischen Spielen 1972 als Schatzmeister hochrangiger Funktionär der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Der Drahtzieher des Attentats in München, Abu Daoud, schrieb 1999 in seiner Autobiografie, dass Abbas das Massaker finanziert habe und somit direkt in die Anschlagsplanung eingebunden gewesen sei.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, hat mittlerweile eine Strafanzeige gegen das palästinensische Oberhaupt gestellt, die aktuell vom Generalbundesanwalt geprüft wird.


Trotz dieser Verbindungen und der wiederholten Relativierung bis Leugnung der Shoah wurde Abbas in das Kanzleramt eingeladen, wo er die Frage, ob er sich für den palästinensischen Terrorakt in München entschuldigen wolle, unbeantwortet ließ. Stattdessen relativerte er den Holocaust und sorgte für einen Eklat.


Deutschland gehört zu den größten Finanziers palästinensischer NGOs. In Teilen werden deutsche Steuergelder missbräuchlich eingesetzt oder korrumpiert und dienen nicht ihrem eigentlichen Zweck, die humanitäre Situation der palästinensischen Bevölkerung zu verbessern.


Angesichts dessen überrascht es nicht, dass die Hinterbliebenen des Olympia-Attentats sich verhöhnt fühlen, wenn ihre Forderungen nach einer adäquaten Entschädigung bis heute nicht erfüllt werden. Ron Prosor, der neu ernannte israelische Botschafter Deutschlands, hofft auf eine Aussöhnung der Konfliktparteien und betont, dass die Familien einen Abschluss verdient haben.


Ausbleibende Anerkennungsleistungen und Streit in der Entschädigungsfrage

Deutschland signalisiert mittlerweile die Bereitschaft für eine späte Entschädigung aufzukommen und unterbreitete den Opferfamilien jüngst ein Angebot, das diese jedoch als „Beleidigung“ ablehnten: „Wir sind verärgert und enttäuscht. […] Wir wollten nie öffentlich über Geld reden, aber nun sind wir gezwungen, es zu tun.“, so Ankie Spitzer.


Seitens der Regierung gab man sich nach außen hin bemüht, einen Konsens zu finden. Es hieß, dass der Dialog gesucht werde und die Intention bestehe, „die gravierenden Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer in immaterieller und in materieller Hinsicht erneut zu artikulieren“.


Der Konflikt eskalierte in den vergangenen Wochen und sorgte für eine Kontroverse in der Medienlandschaft, bei der das würdevolle Gedenken der Opfer in Frage gestellt wurde. Die Hinterbliebenen hatten zunächst ihre Teilnahme an der Gedenkfeier in München am 5. September abgesagt, weil sie sich nicht ernstgenommen und verhöhnt gefühlt haben. Wenige Tage vor der Feier einigte man sich auf eine einvernehmliche Lösung. Laut Medienberichten beträgt die Summe für die Opferfamilien 28 Millionen Euro. Es wird zudem eine deutsch-israelische Historikerkommission mit der vollständigen Aufarbeitung der Ereignisse beauftragt, die auch eine Öffnung der Archive beinhaltet. Damit soll die politische Verantwortung übernommen werden.

Ankie Spitzer ist der Ansicht, dass das bislang fehlende Schuldeingeständnis seitens der deutschen Regierung eine angemessene Entschädigungszahlung nach internationalen Standards an die Hinterbliebenen verhindert habe. Für sie gehört zu einem Eingeständnis der deutschen Mitverantwortung neben einer lückenlosen Aufklärung und der überfälligen Entschuldigung auch die Entschädigungsfrage. Es sei ein Zeichen mit Symbolkraft, bei dem es sich um den Wunsch nach Anerkennung handele, „dass Deutschland seine Schuld nicht nur mit Worten, sondern mit Taten eingestehe“.

So seien 1972 und 2002 über Umwege und ohne Anerkennung einer expliziten Mitverantwortung der Bundesrepublik rund vier Millionen Euro an die Hinterbliebenen als humanitäre Geste geflossen. Dabei handele es sich nicht um die geforderte Entschädigung nach internationalen Standards. Hinzu kommt, dass für diese Mittel jahrelang vor Gericht gekämpft werden musste und das Geld größtenteils für Beerdigungen, Gerichtskosten und Anwälte verwendet wurde.


In einem gemeinsamen Statement des deutschen Bundespräsidenten und seinem israelischen Amtskollegen heißt es, dass die Einigung zwar nicht alle Wunden heilen könne, aber es sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der zeigt, dass Deutschland Verantwortung übernehme.


Schlussworte

Die Olympischen Sommerspiele im Jahr 1972 entwickelten sich zu einem Alptraum mit tödlichen Konsequenzen. Palästinensische Terroristen töteten elf israelische Sportler und Betreuer sowie einen deutschen Polizisten. Es handelt sich um eine der dunkelsten Stunden der deutschen Sportgeschichte.


Trotz des Massakers feiert die Stadt München in diesem Jahr das Jubiläum der Olympiade mit einem mehrwöchigen Unterhaltungsprogramm, was die Gefahr birgt, dass die Tragödie bloß als eine Episode wahrgenommen wird oder sogar in Vergessenheit gerät.


Auch heute sind Judenhass und israelbezogener Antisemitismus omnipräsent. Der Kampf dagegen darf in einer freien Welt nicht nur zu einer Floskelkultur verkommen oder dazu dienen, die eigenen nationalen Schuldgefühle zu tilgen. Besonders Deutschland muss hier seiner historischen Verantwortung gerecht werden und die entsprechende Initiative ergreifen.


In München versagten die deutschen Sicherheitsbehörden und politischen Funktionäre auf ganzer Linie. Der notwendige Schutz der israelischen Delegation wurde nicht gewährleistet. Bis heute gibt es unzählige Ungereimtheiten. Eine Neueinordnung und Kontextualisierung der Geschehnisse ist unabdingbar. Auch für zukünftige Terrorismusprävention und -abwehr braucht es eine lückenlose Aufklärung des Attentats. Der Umgang mit den Opferfamilien und den Überlebenden war lange Zeit skandalös und gipfelte in einem Streit der Entschädigungsfrage, der im letzten Moment beigelegt wurde.


Das Jüdische Museum München gedenkt 2022 den Opfern des Terroranschlags in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Generalkonsulat mit dem ganzjährigen Erinnerungsprojekt „12 Namen – 12 Monate“. Auch dieser Text erinnert an sie und gedenkt sowohl ihnen als auch ihren Angehörigen.


[1] Die ethische und moralische Frage dieser Vorgehensweise soll hier nicht weiter zum Gegenstand gemacht werden.


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