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Flaschenwürfe, Pfefferspray und Rauchtöpfe bei sog. Querdenken-Protesten in Leipzig

Aktualisiert: 8. Nov. 2021



Zu sogenannten Querdenken-Protesten versammelten sich am 6. November 2021 mehrere tausend Menschen in Leipzig. Im Laufe des Nachmittags kam es zu gewaltvollen Ausschreitungen. In verschiedenen Rede- und Gesangsbeiträgen wurden verschwörungsideologische Inhalte verbreitet.


Fast auf den Tag genau ein Jahr nach den gewaltvollen Ausschreitungen bei sog. Querdenken-Protesten am 7. November 2020 in Leipzig (wir berichteten) fand am heutigen Samstag erneut eine Versammlung auf dem Leipziger Augustusplatz statt. Dazu aufgerufen hatte neben der selbsternannten „Bewegung Leipzig“ ein breites Spektrum an Gruppen und Akteur:innen, sowohl aus dem verschwörungsideologischen Spektrum der Corona-Leunger:innen als auch aus der offen auftretenden rechtsextremen Szene. Etliche Ableger der „Querdenken“-Bewegung aus ganz Deutschland mobilisierten bereits seit geraumer Zeit nach Leipzig, ganz offensichtlich auch, um an die Ereignisse des letzten Jahres anzuknüpfen. Unterstützung erfuhren sie dabei unter anderem durch die Partei “Freie Sachsen”, die eindeutige Verbindungen in die rechtsextreme Szene aufweist sowie durch die Jungen Nationalisten Sachsen, der Jugendorganisation der NPD. In entsprechenden Telegram-Kanälen wurde schon Wochen zuvor dazu aufgerufen, sich den Protesten anzuschließen. Damit verbunden wurden des Öfteren vermeintliche Analogien zu den Montagsdemonstrationen von 1989 hergestellt.


Ursprünglich planten die Organisator:innen eine Demonstration über den Leipziger Ring. Angesichts des hohen Infektionsgeschehens in Sachsen und der deshalb eintretenden Corona-Vorwarnstufe wurde diese jedoch von den Behörden im Vorfeld untersagt. Die Kundgebung auf dem Augustusplatz war deshalb auf 1.000 Teilnehmende begrenzt. Organisator:innen und Teilnehmende riefen schon zuvor zur Missachtung der Auflagen auf.


Wie bei ähnlichen Veranstaltungen während des vergangenen Jahres auch, war ein heterogenes Publikum zu beobachten, das sich sowohl aus esoterischen Impfgegner:innen und vereinzelten Friedensaktivist:innen als auch aus organisierten Rechtsextremen zusammensetzte. So waren unter anderem Rolf Dietrich (Ex-NPD), Michael Brück (Ex-Die Rechte Dortmund) oder Steffen Thiel (NPD) zugegen.


Auf Schildern und Plakaten waren in großen Teilen verschwörungsideologische und antisemitische aber auch Shoah-relativierende Inhalte zu lesen. Mindestens einer der Kundgebungsteilnehmer trug einen Button auf der Jacke, auf dem ein sog. “Judenstern“ mit der Aufschrift “Ungeimpft“ abgebildet war. Ein anderer trug ein T-Shirt mit dem Slogan “2021 ist das neue 1933“, wodurch die Zeit des Nationalismus mit der heutigen Situation gleichgesetzt gesetzt wurde. Ein Plakat war mit einem Hakenkreuz bedruckt, das sich aus Spritzen zusammensetzte.


Die Radikalisierung, die die sog. Querdenken-Bewegung innerhalb des letzten Jahres durchlebt hat, machte sich jedoch nicht nur auf T-Shirts und Plakaten bemerkbar. Die Stimmung war von Beginn an aggressiv und aufgeheizt. Nachdem die maximale Teilnehmendenzahl auf dem Augustusplatz erreicht war, kam es an den Absperrgittern zu tumultartigen Szenen, bei denen Pressevertreter:innen beleidigt und Polizist:innen attackiert wurden. Die Polizei entschied daraufhin, der außenstehenden Menschenmasse einen alternativen Veranstaltungsort zur Verfügung zu stellen. In Reaktion darauf verlagerten sich die Proteste nach und nach auf die benachbarte Goethestraße, auf der sich schließlich insgesamt mehrere tausend Personen zu einem Demonstrationszug aufstellten, um im Anschluss Richtung Hauptbahnhof zu laufen. Trotz einzelner Durchbruchversuche gelang es der Polizei nach einiger Zeit und chaotischen Szenen dies zu verhindern. Aus dem nicht genehmigten Demonstrationszug heraus wurden Rauchtöpfe gezündet und Flaschen auf Polizist:innen geworfen. In einem Fall verwendete eine Demonstrantin Pfefferspray gegenüber der Polizei.


Nachdem sich die Situation vor Ort nach einiger Zeit etwas beruhigt hatte, begann gegen 17:30 Uhr eine Art Katz-und-Maus Spiel zwischen Polizei und den ehemaligen Versammlungsteilnehmer:innen durch die Leipziger Innenstadt. Wie im Laufe des gesamten Tages kam es hier zu zahlreichen Beleidigungen und Drohgebärden der Protestler:innen in Richtung der anwesenden Presse. Seinen Abschluss fand das innerstädtische Versteckspiel auf dem Richard-Wagner-Platz, auf dem ab 19 Uhr eine Kundgebung angemeldet war, während der jedoch vor allem laute Musik abgespielt wurde.


Begleitet wurde das Geschehen während der gesamten Zeit durch lautstarken Gegenprotest, zu dem u.a. die Initiative “Leipzig nimmt Platz”, aufgerufen hatte. Ursprünglich geplante “Zubringerdemonstrationen” waren aufgrund der steigenden Infektionszahlen ebenfalls verboten worden.


Resümierend ist in Anbetracht der heutigen Ereignisse festzuhalten, dass die Zahl der Teilnehmenden im Vergleich zum letzten Jahr deutlich zurückgegangen und hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die übriggebliebene harte Kern ließ jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass jegliche Distanzierung von gewaltvollem Handeln abgelegt worden ist. Auch mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen stellt sich für zukünftige Veranstaltungen dieser Art die Frage, wie es der Polizei gelingen kann, einen geregelten Ablauf sicherzustellen. Eines ist sicher: Die Proteste werden weitergehen. Hendrik Sodenkamp vom Demokratischen Widerstand kündigte in seiner Rede bereits an, dass in Zukunft jeden ersten Samstag im Monat zu Großprotesten in Berlin aufgerufen werden soll.


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