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Europa und die Wahl (Borgmanns Blick)

„Hier auf unserem Kontinent hat zukünftig jeder Mensch zwei Vaterländer: das seine und Europa“ Na, das hört sich ja ziemlich altmodisch an.

Stimmt. Es ist altmodisch. Schon die Sprache: Vaterländer. Wer sagt denn so was heute noch? Und außerdem: Paternalistisch ist es auch. Stimmt auch. Heute sagt man vielleicht lieber Heimatland. Aber das konnte ja derjenige nicht wissen, der diesen Satz äußerte: Es war der aus einem KZ befreite Franzose Joseph Rovan, der sich schon vor über 70 Jahren als Bürger Europas betrachtete.

Und heute? Diese Selbstverständlichkeit, dass wir Bürger unserer jeweiligen Nation und zugleich Bürger eines demokratisch verbundenen Europas sind, droht mehr und mehr in Frage gestellt zu werden. Der nationale Egoismus, den Trump mit seinem „America first“ so offen auf den Punkt und der ihn an die Macht brachte, ist jetzt in vielen Ländern der EU populär und bestimmt den öffentlichen Diskurs. Nationalisten sind in unserem südlichen Nachbarland Österreich und in Italien längst an der Regierung beteiligt, auch in Polen, Tschechien und Ungarn wird der Nationalismus hochgehalten, ebenso in Frankreich durch die nationale Sammlungsbewegung unter Marine Le Pen. Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind überall in Europa zu Wahlkampfschlagern geworden. Dass damit vielfach auch Antisemitismus verbunden ist, wird selten offen ausgesprochen – noch. Bei den Europawahlen am 26. Mai wird sich entscheiden, wie weit die Destruktion des gemeinsamen demokratischen Selbstverständnisses gehen wird. Ja, die Europäische Union ist ein Friedensprojekt, ein Demokratieprojekt, ein Sozialprojekt, ein Wirtschaftsprojekt – wenn auch nur ein unvollkommenes. Die vielen offensichtlichen Mängel werden von Nationalisten und Rechtsextremen instrumentalisiert um selbst an die Macht zu kommen und die Europäische Gesellschaft nachhaltig in ihrem Sinne zu verändern. Keine gute Option.



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