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Die documenta15 ist beendet - eine kritische Einordnung


Die documenta15 bot viel Neues: Zum ersten Mal zeigte sich ein Kollektiv für die künstlerische Leitung verantwortlich. Dem Motto folgend: „make friends, not art“ lehnte ruangrupa aus Indonesien den kommerziellen Aspekt der documenta als Produktionsstätte für den kapitalistischen Kunstmarkt ab. Mit der documenta15 sollte eine „global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform“ geschaffen werden. Allen voran Stimmen des „Globalen Südens“ wollte man Gerhör verschaffen.

Das soziale Miteinander als künstlerische Praxis sollte prägend sein. Bemerkbar machte sich das in Kochevents, verschiedenartigen Workshops und zahlreichen Diskussionsangeboten. Kunst und Aktivismus waren oft nicht zu trennen und so bezog sich das Kunstverständnis vor allem auf politischen Aktivismus als künstlerische Praxis. Dies zeigt sich in zahlreichen Ausstellungsobjekten.

Die documenta15 folgte einer klaren politischen Ausrichtung: Im Ausstellungskatalog rief man die Künstler:innen dazu auf, die sogenannte „Exotik ihrer ethnischen Herkunft“ zu thematisieren. Der postkoloniale Kontext der Arbeiten wurde immer wieder betont und die politische Prämisse der Erinnerung und Anklage kolonialer Traumata in den Mittelpunkt gerückt.

Selten hat es in ihrer 67-jährigen Geschichte um die weltgrößte zeitgenössische Kunstausstellung in Kassel derartige Diskussionen gegeben wie im Jahr 2022. Das lag jedoch weniger an der Ausstellungskonzeption als an bereits früh geäußerten und lange verdrängten Hinweisen auf möglichen Antisemitismus. Das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) wies im Januar auf Sympathien von Verantwortlichen für die antisemitische Boykottbewegung Boycott, Divestment, Sanctions (BDS) hin. Neben ruangrupa nannte man in diesem Zusammenhang unter anderem den documenta-Beirat. Auch andere, darunter jüdische Institutionen wie der Zentralrat der Juden, äußerten früh ihre Bedenken. Doch diese wurden lange nicht gehört.


Mit der Enthüllung des Banners „People's Justice“ der Gruppe Taring Padi zur Ausstellungseröffnung am 18. Juni 2022 erfuhr die Diskussion neuen Schwung. In den darauffolgenden Wochen und Monaten wurden weitere Kunstwerke mit antisemitischen Inhalten bekannt. Auf erneute, lautstarke Kritik, diesmal auch aus breiten Teilen der Öffentlichkeit, folgte eine Aneinanderreihung von Schuldabwehr, Kritikunfähigkeit und verbalen Gegenangriffen seitens der Verantwortlichen. Früh forderten Kritiker:innen eine Unterbrechung oder gar den Abbruch der Ausstellung – einhergehend mit dem Wunsch nach einer Prüfung der ausgestellten Objekte. Dem kam man mit Verweis auf die Wahrung der Meinungs- und Kunstfreiheit lange nicht nach. Im Gegenteil: Oft wurde Kritik an den antisemitischen Darstellungen als rassistisch motiviert diffamiert. Es handelt sich um eine Täter-Opfer-Umkehr und um ein Scheinargument, das in der Befassung mit israelbezogenem Antisemitismus immer wieder angeführt wird.


Die documenta15 reiht sich in eine Vielzahl von Ereignissen ein, die offenkundig werden lassen, wie in weiten Teilen der Gesellschaft, insbesondere auch im Kunst- und Kulturbetrieb, in ähnlicher Art und Weise über Antisemitismus, Rassismus und Israel diskutiert wird. Dies zeigt sich auch darin, wie in der Vergangenheit mit NS-Skandalen und antisemitischen Kontinuitäten in der Geschichte der Kasseler Kunstausstellung umgegangen wurde.


Unsere Website über die documenta15 bietet eine Chronologie der Ereignisse, wirft einen Blick auf vergangene Skandale der Kunstausstellung und ordnet die diesjährig ausgestellten Kunstwerke mit antisemitischem Inhalt ein. Außerdem werden die vorgebrachten Kritikpunkte und Reaktionen zusammengefasst und die Frage beantwortet, wie die Debatte um die documenta15 gesellschaftlich einzuordnen ist.


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