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Antisemitische Vernichtungsdrohungen auf Demonstration von PFLP-nahem Netzwerk „Samidoun“ am 29.05.


„Der Tod wird unsere Brust beruhigen“; „Friedhöfe den Führern Israels“; „Wir gehen nach al-Quds, selbst wenn wir Millionen von uns opfern“ – Parolen wie diese wurden auf Arabisch [1] auf einer antiisraelischen Demonstration am Samstag, den 29. Mai 2021, von einem Lautsprecherwagen zu den teilnehmenden Demonstrant:innen gerufen und von diesen lautstark erwidert. Und immer wieder: „Allahu Akbar“, Allah ist groß. Es sind radikale islamistische Parolen, die den Tod glorifizieren, den Märtyrertod anpreisen, um Jerusalem einzunehmen, zur Vernichtung Israels aufrufen und, so lässt sich die Forderung nach „Friedhöfen“ interpretieren, der Tod von israelischen Politiker:innen fordern.


Die bis zu 200 Teilnehmer:innen der Demonstration, die durch das der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) nahestehende Netzwerk „Samidoun“ organisiert wurde, zogen vom Hermannplatz zum Rathaus Neukölln. Dabei skandierten sie, wie es zuvor auch schon bei ähnlichen Demonstrationen bundesweit der Fall war, u.a. die antisemitische Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“, die auf die Vernichtung Israels abzielt. Vom Lautsprecherwagen wurden auf Arabisch mehrere gewaltverherrlichende Aussagen getätigt: „Die Muezzinrufe schallen vom Himmel und rufen Allahu Akbar zum Jihad“, hieß es da, oder auch: „Ich lege die Verräter und Kollaborateure vorne auf den Kanonenlauf“. Wer mit den Kollaborateuren und Verrätern gemeint ist, wurde später deutlich: „Saudi-Arabien, Ägypten und die Emirate liegen unter den Füßen der Palästinenser“. Diese Länder waren in der jüngeren Vergangenheit durch politische Annäherungen an Israel aufgefallen.


Premierminister Benjamin Netanjahu und der Staat Israel selbst wurden ferner als terroristisch beschimpft. Weder Netanjahu noch Bundeskanzlerin Angela Merkel würden Israel schützen können: „Vom Meer bis zum Fluss gehört es uns - trotz Netanjahu und Merkel. Amerika und Deutschland, wir kehren zurück!"


„Oslo“ wurde als „größte Schande“ beschrieben: vermutlich ein Verweis auf die Oslo-Abkommen, die unter norwegischer Vermittlung eine Friedenslösung zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Israel herstellen sollten. „Wir sind alle für ein Palästina“, hieß es hingegen, „das sich vom Meer bis zum Fluss erstreckt. [...] Wir möchten keine einzelnen Orte, wir wollen ein gesamtes Palästina, vom Wasser zum Wasser." Ein Sprecher grüßte schließlich ausdrücklich die palästinensische Unterorganisation der al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, die als bewaffneter Arm der Fatah dienen, sowie Abu Obeida, den Militärsprecher der Hamas, und drückte so seine Solidarität aus.


Auf der Demonstration vertreten war auch die „Kommunistische Organisation“, die nach eigenen Angaben ein „revolutionäres Programm“ mit marxistisch-leninistischer Orientierung verfolgt. [2] Nachdem die Demonstration unter arabischen Sprechchören am Rathaus Neukölln angekommen war, forderte ein Redner (auf Deutsch) aus „türkisch revolutionärer“ Perspektive ein Palästina „vom See bis zum Meer“, „wo die Juden und die Araber in Frieden zusammenleben“ sollen. Ungeachtet der Tatsache, dass Israel ein Staat ist, in dem jüdische und arabische Menschen tatsächlich in Frieden zusammenleben können, sprach er mit dieser Absage an eine Zwei-Staaten-Lösung dem Staat Israel die Existenzberechtigung ab und unterschlug die Tatsache, dass Jüdinnen:Juden in der Vergangenheit in den meisten arabischen Ländern nicht geschützt waren und es auch heute noch nicht sind.


An diesem 1. Juni jährt sich beispielsweise das Farhud-Pogrom in Bagdad im Jahr 1941, in dessen Verlauf 200 Jüdinnen:Juden ermordet und viele Hunderte verletzt wurden. [3] Insgesamt flohen von den vierziger Jahren bis in die siebziger Jahre hinein etwa 850.000 Juden vor Gewalt und Unterdrückung aus den arabischen Ländern nach Israel. Ihren gesamten Besitz mussten sie zurücklassen. Heute leben in den meisten arabischen Ländern entweder gar keine oder nur noch sehr wenige Jüdinnen:Juden. [4] Israel als jüdischer Staat garantiert die Sicherheit für seine Bürger:innen und für Jüdinnen:Juden gegenüber antisemitischer Vernichtungsdrohungen weltweit. Wer die Abschaffung Israels fordert, nimmt daher tödliche Gewalt gegen Jüdinnen:Juden mindestens billigend in Kauf oder befürwortet sie sogar offen.


Auch wenn der Ausruf für ein friedlichen Zusammenleben des letzten Redners im direkten Vergleich nahezu versöhnlich klingt, entspricht er in der konsequenten Forderung der Abschaffung des Staates Israel den deutlich radikaleren auf Arabisch vorgetragenen Redeanteilen. Im Anschluss an die Reden vor dem Rathaus Neukölln skandierten Teilnehmer:innen der Demonstration „Allahu Akbar“-Rufe, dann wurde die Kundgebung von den Veranstaltern beendet.


Erst vor weniger als zwei Wochen, am 20. Mai, fand am Brandenburger Tor eine große israelsolidarische Kundgebung anlässlich des andauernden Raketenbeschusses der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen auf die israelische Zivilbevölkerung statt. Dort erklärten Politiker:innen von CDU bis Linkspartei in Redebeiträgen, dass Antisemitismus immer zu verurteilen und die antisemitische Gewalt auf aktuellen islamisch-palästinensischen Demonstrationen gegen Israel nicht hinnehmbar sei. Eine solche Demonstration war erst am 15. Mai in Berlin Neukölln – ebenfalls durch das Netzwerk „Samidoun“ – durchgeführt worden. Auf dieser kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und einer Reihe antisemitischer Vorfälle (wir berichteten: https://www.jfda.de/post/hass-und-gewalt-auf-pro-palaestinensischen-demonstrationen-in-berlin). Sie sorgte deutschlandweit für Empörung.


Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als fragwürdig, dass genau dieses Netzwerk, das von Israel im Übrigen als Terrororganisation eingestuft wurde, erneut eine Demonstration in Berlin durchführen konnte. Die Politik sollte sich, wenn sie es mit ihren Forderungen ernst meint, fragen, wie es dazu kommen konnte, und ob es in Zukunft weiterhin dazu kommen sollte.




Anmerkungen


[1] Die entsprechenden arabischen Reden wurden von uns dokumentiert und mit freundlicher Unterstützung von Demokratielotsen e.V. (https://www.demokratielotsen.de/) durch arabische Muttersprachler:innen übersetzt.



[3] Weitere Informationen: http://www.juedische.at/pages/zeitgeschichte/farhud.php


[4] Weitere Informationen: https://mfa.gov.il/MFA/AboutIsrael/Spotlight/Pages/The-Jewish-Refugees-from-Arab-Countries-9.aspx




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