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documenta15

4.3. Kritik von Betroffenen wird nicht ernst genommen

4. Kritik und Reaktionen

Die Kritik an den Antisemitismusvorwürfen macht einen blinden Fleck im Umgang mit Antisemitismus in Deutschland deutlich.


Das Sara Nussbaum Zentrum für jüdisches Leben in Kassel verurteilte die Art und Weise, wie seit Monaten mit der Kritik von Jüdinnen:Juden am Antisemitismus-Problem der documenta umgegangen wurde. Sie schrieben:

„Grundsätzlich gilt es festzustellen: Durch die judenfeindlichen Werke der Künstler*innen ist uns allen schon jetzt ein immenser Schaden entstanden. Doch es sind nicht Jüdinnen und Juden, die für Trennung und Spaltung sorgen. Es sind die Antisemiten, die mit ihren Taten nicht zuletzt auch den anderen Künstler*innen der documenta fifteen schaden, da sie mit ihren Aktionen deren sehenswerte Arbeiten und Werke überschatten.“

Des Weiteren merkte das Sara Nussbaum Zentrum an, dass aktuell besonders deutlich werde, wie Hass gegen Jüdinnen:Juden oftmals als eine jüdische Befindlichkeit verharmlost werde. Antisemitismus sei in der Debatte als traditionelle bzw. kulturelle Eigenart behandelt und im Zusammenhang mit dem Begriff des „Globalen Südens“ als vermeintlich „andere“ Position, die man wahrzunehmen habe, dargestellt worden. Dazu schrieb das Zentrum in einer Stellungnahme:

„Wir müssen zudem mit aller Deutlichkeit feststellen: Antisemitismus ist in keinem Sinn eine Befindlichkeit von Jüdinnen und Juden, sondern eine alltägliche Realität. Es geht nicht um ‘negative Gefühle’, sondern um unsere Sicherheit in Deutschland. Schon jetzt spüren wir Auswirkungen des aktuellen Skandals.“

Dass öffentlich ausgestellte antisemitische Darstellungen unmittelbaren Einfluss auf die konkreten Lebensrealitäten von Jüdinnen:Juden haben, wurde hierin besonders deutlich.

Auch das Internationale Auschwitz Komitee wies auf die unzumutbare Rolle hin, die Jüdinnen:Juden in der Debatte zugesprochen wurde, nämlich die ewigen Störenfriede und Miesmacher:innen der documenta15 zu sein.


Dass erstaunlich wenige Personen das Problem bei den Urheber:innen des Werkes „People’s Justice“ sahen, ist zumindest auffällig, während gleichzeitig mit ersichtlicher Mühe daran gearbeitet wurde, die scharfe Kritik von Jüdinnen:Juden beständig zurückzuweisen. Auch die Werteinitiative jüdisch-deutsche Positionen äußerte ihre Frustration darüber, dass ihre Kritik im Vorfeld nicht ernst genommen wurde. Sie sprachen von einer Warnung im Vorhinein, die darin bestand, dass BDS-Unterstützer:innen die Aufmerksamkeit der documenta15 für die Verbreitung antisemitischer Narrative nutzen könnten. Nun ist genau das passiert. Des Weiteren äußerte sich die Werteinitiative bestürzt über den nachträglichen Umgang mit dem riesigen Antisemitismus-Skandal. Der Vorsitzende der Werteinitiative, Elio Adler, merkte dazu an:

„Die Grundlage dieses Desasters ist nicht fehlender Dialog, sondern Antisemitismus. Sollen Juden und Jüdinnen in Dialog treten und ergebnisoffen darüber diskutieren, in welcher Form Hass gegen uns ‘in Ordnung’ sei? [...] Das Anliegen der documenta fifteen, in den Dialog mit dem globalen Süden zu treten, ist wichtig und richtig. Dies beinhaltet jedoch nicht, unter dem Deckmantel des hohen grundgesetzlichen Gutes der Kunstfreiheit, Antisemitismus zu verbreiten. Dieser ist auch nicht durch kulturelle Perspektiven zu rechtfertigen.“

Letztendlich ist Antisemitismus keine Frage des Empfindens, sondern eine des Strafrechts, wie der Zentralrat der Juden schon im Vorfeld der documenta richtig benannte.

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