Am 23. Februar stellten Gregor Bauer und Hannah Schimmele von polisphere ihr neues Projekt „Antisemitismus-Tracker“ vor, das sie mit Unterstützung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft entwickelt haben. Es knüpft thematisch an das Vorgängerprojekt „Antisemitismus im Dark Social“ an. Polisphere sieht es als seine Aufgabe an, antidemokratische Tendenzen im Netz zu erkennen.
Das Projekt befasst sich mit den im Ukraine-Krieg vermehrt auftretenden antisemitischen Erscheinungen und will sie sichtbar machen, um Transparenz zu schaffen. Indem die wiederkehrenden Muster erklärt werden, soll die Website eine Handhabe zur Prävention bieten und zur Abwehr von Antisemitismus beitragen.
Die zentralen Ergebnisse der vorausgehenden Untersuchungen waren zwei Feststellungen: Der bestehende Antisemitismus in Deutschland war ein Einfallstor für eine kremlfreundliche Interpretation der Ereignisse in der Ukraine. Zudem erhielten die klassischen Verschwörungstheorien durch kremelfreundliche Narrative neue Ausprägungen. Dazu zählen das Eliten-Verschwörungsmotiv, das globalistische Motiv, die „New World Order“ und „Great Reset“ Motive sowie die Marionetten- bzw. Strippenzieher-Erzählung. Eine beliebte Erzählung in diesem Zusammenhang ist etwa, dass in der Ukraine ein neues chasarische Reich errichtet werden sollte, das es zu bekämpfen gelte. Dabei identifizierte polisphere im Laufe des bisherigen Kriegsgeschehens drei antisemitische Kampagnen, unter anderem eine, in der behauptet wurde, die NATO sei eine jüdische Verschwörung. Diese Narrative zehren von Israelkritik und sind prinzipiell amerikafeindlich. Dabei funktionieren diese Verschwörungstheorien, weil der Antisemitismus in historischer Wandlung als Werkzeug missbraucht wird.
Conrad Häßler, Referatsleiter Strategische Kommunikation im Auswärtigen Amt, der neben Anna Staroselski auf dem Podium anlässlich der Freischaltung der Webseite diskutierte, stellte fest, dass falsche Informationen im derzeitigen Krieg als Waffe benutzt werden. Ziel des Auswärtigen Amtes sei es daher, solche Desinformationen nach Möglichkeit präventiv zu entkräften und sich frühzeitig in Debatten einzuschalten. Dies Ziel einer neuen deutschen Diplomatie sei es, Resilienz zu fördern und mit Hilfe von Faktenchecks entgegenzuwirken. Dabei sei der Fokus seit dem 24. Februar 2022 besonders auf die baltischen Staaten und Afrika gerichtet. In Großbritannien habe ein entsprechendes Umdenken bereits nach dem Anschlag auf Sergei Wiktorowitsch Skripal im März 2018 begonnen. Allerdings mangele es dem Auswärtigen Amt an Ressourcen, es gebe nur zwei Analysten, die sich mit diesem Thema Informationskrieg befassen.
Anna Staroselski stellte fest, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland gespalten sei und es auch russische Mitglieder gebe, die der kremlfreundlichen Propaganda glauben. Der Hass im Netz sei ein Problem, dem entschieden entgegengetreten werden müsse. Die kürzlich verabschiedetet Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben sei hierfür ein guter Ausgangspunkt.
Links zum Artikel:
Commenti