Im Sommer 2016 hatte sich die Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg anlässlich der antisemitischen Äußerungen ihres Abgeordneten Wolfgang Gedeon gespalten. Doch bereits während des letztlich gescheiterten Parteiausschlussverfahrens gegen ihn begann die Wiederannäherung. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke bezeichnet diese und weitere Distanzierungen als weitgehend folgenlose „Show“ zur Beschwichtigung der Öffentlichkeit. Tatsächlich nahm die AfD-Fraktion Gedeon im November 2017 in ihren „Arbeitskreis Europa“ auf. Seitdem geht Gedeon, innerparteilich rehabilitiert, zusehends in die Offensive. Gegen Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, klagte er im Januar 2018 auf Unterlassung, weil dieser ihn als Holocaustleugner bezeichnet hatte – ohne Erfolg. Indes kämpfte er in seinem Heimatort Singen am Bodensee, ebenfalls vergeblich, gegen die „Erinnerungs-Diktatur“ in Gestalt von „Stolpersteinen“. Gestern schließlich bezeichnete er im Landtag von Baden-Württemberg den parteiübergreifenden Antrag, einen Antisemitismus-Beauftragten für das Bundesland zu ernennen, als „Kotau vor dem Zionismus“ und forderte eine „Erinnerungspause“ und einen „Schlussstrich“. Der fraktionslose AfD-Politiker stimmte als Einziger mit Nein. Die Fraktion seiner Partei enthielt sich bei der Abstimmung. Gedeons gestrige Rede, gehalten im Beisein jüdischer Gemeindevertreter und Repräsentanten des Staates Israel, versammelt zentrale Motive antisemitischer Umwegkommunikation. Dass „Zionisten“ im „Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums“ als Chiffre für „Juden“ gelten kann, hat etwa das Amtsgericht Essen im Januar 2015 in einem Strafverfahren zu Volksverhetzung festgestellt. Ob die Äußerungen des AfD-Politikers und Parteitagsdelegierten Folgen haben werden, ist unklar. Eine Stellungnahme der AfD-Landtagsfraktion blieb bislang aus.
Photo: Wolfgang Gedeon am 7.3.2018 im Landtag von Baden-Würtemberg (Screenshot)
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