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ANTISEMITISMUS AUFGEKLÄRT 

MYTHOS 7

Antisemitismus ist ein importiertes Problem und geht heute vor allem
von Muslim:innen aus.

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Immer wieder flammen in Deutschland Debatten auf, in denen Antisemitismus als primär muslimisches, migrantisches und damit in gewisser Weise „importiertes“ Problem dargestellt wird. Dabei ist es doch sehr zynisch, ausgerechnet im NS-Nachfolgestaat primär von “importiertem Antisemitismus” zu sprechen. Grundsätzlich gilt: Antisemitismus und sein Vorläufer Antijudaismus haben lange historische Wurzeln in Deutschland und mussten nicht erst von außen eingeführt werden. 

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In unseren bisherigen Mythen haben wir gezeigt, dass Antisemitismus in jeder gesellschaftlichen Schicht verbreitet und ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Dass Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft kaum verbreitet und dieser erst mit muslimischen oder arabischen Migrant:innen importiert worden sei, ist ein rassistisches Narrativ, das angesichts der NS-Gräuel und der Shoa schlicht geschichtsrevisionistisch ist. Diese Externalisierung eines gesamtgesellschaftlichen Problems kann auch als Form der Schuldabwehr verstanden werden, da durch den Verweis auf angeblich „importierten“ Antisemitismus versucht werden soll, von nicht-muslimischem Antisemitismus abzulenken und diesen auszublenden.

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Nichtsdestotrotz ist Antisemitismus auch unter Muslim:innen und in migrantischen Communitys weit verbreitet. Islamischer Antisemitismus und Islamismus sind als Probleme in einer sogenannten „postmigrantischen“ Gesellschaft sehr ernst zu nehmen.

 

Es gibt Stellen im Koran, die antisemitisch gedeutet werden können – und Antisemitismus bzw. Antijudaismus sind seit Jahrhunderten in vielen arabischen Ländern verbreitet. So wird Antisemitismus beispielsweise in Syrien, Irak, Ägypten, den palästinensischen Gebieten, Jordanien, Libanon oder Iran von staatlichen Akteur:innen unterstützt. In diesen und anderen Ländern werden antisemitische Stereotype, Verschwörungsmythen wie die “Protokolle der Weisen von Zion” und teilweise auch offener Judenhass im staatlichen Fernsehen, in Schulbüchern und von der Regierung verbreitet.

 

Eine Studie des renommierten Pew Research Center von 2005 hat gezeigt, dass die Mehrheit der Einwohner:innen in Jordanien (100%), Marokko (88%) Libanon (99%), der Türkei (60%) und Pakistan (74%) eine negative Einstellung gegenüber Jüdinnen:Juden hat. Laut der gleichen Studie war dies zudem bei 21% der Muslim:innen in Deutschland der Fall.

 

Zudem gilt aus historischer Perspektive: Wer über „importierten Antisemitismus“ spricht, sollte auch über den „Export“ von Antisemitismus sprechen. So wurde der moderne Antisemitismus in den meisten der oben genannten Länder auch durch den europäischen Antisemitismus beeinflusst. Besonders trug hierzu das nationalsozialistische Deutschland bei, das durch Radiopropaganda auf Arabisch, Türkisch und Persisch gezielt antisemitische Hetze in Ländern der arabischen Welt, der Türkei und Afghanistan verbreitete.[1] Hierbei wurden die Nazis auch vom Mufti Jerusalems, Mohammed Amin al-Husseini, unterstützt, der von 1941 bis zum Kriegsende in Deutschland lebte und der SS bei der Rekrutierung muslimischer SS-Divisionen auf dem Balkan half.[2]

 

Ausführliche Studien zu Antisemitismus unter Muslim:innen sind in Deutschland leider noch die Ausnahme. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld zeigte jedoch, dass auf die Frage, ob Juden zu viel Einfluss in der Welt hätten, 3 % der Befragten ohne Migrationsgeschichte mit Ja antworteten, während bei den Befragten mit türkischer Migrationsgeschichte 25% zustimmten und bei jenen mit arabischer Migrationsgeschichte 40%.[3]

 

Diese Zahlen legen nahe: Antisemitismus unter Muslim:innen ist ein ernstzunehmendes Problem in Deutschland – und Islamismus eine reale Bedrohung für jüdische Menschen. Diese Debatte aus Angst vor Rassismus-Vorwürfen zu scheuen ist keine Option. Wer jedoch in Deutschland – dem Land, zu dessen Geschichte der nationalsozialistische Vernichtungs-antisemitismus gehört – Antisemitismus als ausschließlich „importiertes“ Problem bezeichnet und den Blick für genuin deutschen Antisemitismus verliert, muss sich zu Recht fragen lassen, ob es sich hierbei nicht um eine Form der rassistischen Externalisierung und Schuldabwehr handelt.

 

Quellen:

[1] https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/307771/islamischer-antisemitismus

[2] https://www.yadvashem.org/yv/de/holocaust/about/02/middle_east.asp

[3] https://www.welt.de/politik/deutschland/article205449325/Judenfeindlichkeit-Antisemitismus-bei-Muslimen-kaum-erforscht.html

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