Am 18.09.2021 fand der 17. “Marsch für das Leben“ in Berlin statt. Wie in den letzten Jahren auch wurde die Veranstaltung durch den Bundesverband Lebensrecht e.V. organisiert, dessen Bundesvorsitzende Alexandra Lindner die Teilnehmer:innen pünktlich um 13 Uhr von der Bühne vor dem Brandenburger Tor aus begrüßte. Dem Aufruf folgten wenige tausend Personen, insgesamt blieb die Beteiligung somit hinter der der letzten Jahren zurück. Im vornherein wurden zahlreiche Grußworte auf der dazugehörigen Website veröffentlicht, so zum Beispiel von dem CDU Bundestagsabgeordneten Alexander Krauß, dem Erzbischof aus Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki oder der Deutschen Bischofskonferenz und ihrem Vorsitzenden Georg Bätzing. Auch der gesamte AfD Bundesverband zeigte sich der Veranstaltung gegenüber wohlgesonnen und veröffentlichte in den Tagen zuvor einen entsprechenden Text.
Der seit 2002 organisierte “Marsch für das Leben“ ist eines der größten Events der sogenannten Lebensschutzszene in Deutschland. Das Hauptanliegen der Beteiligten besteht nach eigener Aussage darin, sich „für den Schutz des Lebensrechts jedes Menschen von der Zeugung bis zum natürlich Tod einzusetzen“ (https://www.bundesverband-lebensrecht.de/ueber-uns/). Diese Anliegen äußerten sich am Veranstaltungstag selbst in Form von durch den Bundesverband Lebensrecht bereitgestellten Plakaten mit Aufschriften wie „Töten ist keine ärztliche Kunst“, “Willkommenskultur auch für Ungeborene” oder „Inklusion beginnt schon vor der Geburt“. Kritiker:innen betrachten dies als Angriff auf die sexuelle, körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung und Vielfalt.
Wie auch in den letzten Jahren wurden durch Teilnehmer:innen im Zuge der Veranstaltungen NS-Analogien hergestellt. Ein Demonstrant trug beispielsweise ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stoppt den Babycaust“, wodurch er Abtreibung mit der industriellen Tötung von Millionen Jüdinnen:Juden gleichsetzte. Ein vom Bundesverband bereitgestelltes Plakat beinhaltete den Text “Nie wieder unwertes Leben”. Hier lässt sich ein direkter Bezug zur NS-Ideologie sehen, die wiederum der aktuellen Praxis und Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen analog gestellt wird. Unter dem Begriff “unwertes Leben” bzw. “Lebensunwert” wurden im Nationalsozialismus all jene Menschen gefasst, die der Rassenideologie nicht entsprachen. Im Sinne der “Eugenik” gehörten hierzu Juden:Jüdinnen, Roma und Sinti, Homosexuelle usw. Insbesondere fokussiert der Begriff in diesem Fall Menschen mit Behinderung und körperlich sowie psychisch Kranke. Eine Person trug neben einem grünen Schild mit "Euthanasie"-Bezug auch ein Bild von Bischof Clemens August Graf von Galen mit sich, der sich in einer bekannten Rede 1941 gegen die T4 Aktion der Nationalsozialisten wandte. Die Formulierung und der Aufruf Euthanasie zu beenden lässt sich als diskursive Aufweichung verstehen: Schwangerschaftsabbrüche werden mit NS-Politik gleichgesetzt.
Andere Personen trugen Oberteile mit Beschriftungen wie „Unborn Life Matters“. Die inhaltlichen Beiträge wiederum boten wenig Überraschendes, in Teilen wurde auf Projekte und Initiativen hingewiesen, wie bspw. ein Podcastprojekt. Außerdem wurden die Teilnehmer:innen dazu aufgerufen, mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl Kandidat:innen zu kontaktieren und ihnen Informationen zum Thema Abtreibung zukommen zu lassen.
Nach rund einstündigem Bühnenprogramm, währenddessen abwechselnd Reden gehalten, christliche Lieder gesungen und eine Schweigeminute abgehalten wurden, startete ein Demonstrationszug, der sich über den Potsdamer Platz, die Friedrichstraße, Unter den Linden und zurück zum Brandenburger Tor bewegte. Begleitet wurde der als Schweigemarsch angekündigte Aufzug durch mehrere Störaktionen von Gegendemonstrant:innen. Insgesamt kam es jedoch zu keinen größeren Zwischenfällen.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein ökumenischer Gottesdienst, zu dem sich allerdings nur noch wenige hundert Abtreibungsgegner:innen versammelten.
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