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„Jesus war Palästinenser“: Geschichtsverklärung bei „pro-palästinensischer" Demonstration in München

Aktualisiert: 15. Juni 2021


Auf dem Mariahilfplatz in München versammelten sich am 9. Juni 2021 etwa 180 Personen, um an einer Kundgebung der Organisation „Palästina spricht München“ und einer kolumbianischen Organisation teilzunehmen. Ein kolumbianischer Redner eröffnete seine Rede mit dem Satz „Jesus ist ein Palästinenser“. Der Redner, der sich als „gläubiger Katholik“ vorstellte, zitierte anschließend Zeilen aus der Bergpredigt, die Jesus nach der christlichen Überlieferung an seine Gemeinde, die aus jüdischen Menschen bestand, predigte.


Das Narrativ von Jesus als Palästinenser wurde zum ersten Mal 1985 von Jassir Arafat während einer UN-Pressekonferenz verbreitet. Wörtlich sagte er damals, Jesus sei der „erste palästinensische Fedayee [Milizionär], der sein Schwert trug.“ Dies wurde seitdem auch von Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde wiederholt geäußert. So sagte 2013 der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas: In Bethlehem wurde vor mehr als 2.000 Jahren Jesus Christus geboren, ein palästinensischer Bote“.[1] Im Dezember 2020 versendete der PA-Regierungssprecher Ibrahim Melhem den folgenden Weihnachtsgruß: „Erlauben Sie mir, Segen an die christlichen Gemeinden zu senden, die den Gregorianischen Kalender für diesen Feiertag verwenden. Der Feiertag der Geburt des palästinensischen Propheten Jesus, des Sohnes Marias.“[2] Indem Jesus als Palästinenser bezeichnet wird, wird die Geschichte neu interpretiert und er wird seiner jüdischen Herkunft und Identität beraubt.


Aus historisch-wissenschaftlicher Sicht wurde der Begriff „Palästina“ von dem hebräischen Wort פְלֶשֶׁת peleschet abgeleitet. Damit wurde das Gebiet der Regionen um Gaza, Aschdod, Aschkelon, Ekron und Gath bezeichnet. Dieses Gebiet wurde unter anderem von sogenannten Seevölkern bewohnt und hier vor allem von Philistern. Mit dem Narrativ, Jesus sei Palästinenser gewesen, sollen die palästinensischen Araber zuerst als Nachfolger der Kanaaniter und später der Philister dargestellt werden. Nachdem der Bar-Kochba-Aufstand von den Römern niedergeschlagen worden war, benannte der römische Kaiser Hadrian die Provinz Judäa in Syria Palaestina um. Jerusalem wurde zerstört und als Aelia Capitolina wieder aufgebaut. Erst im Zuge der islamischen Expansion im Jahr 636 n.d.Z. entstand neben der jüdischen und christlichen auch eine muslimische Präsenz in der Region.


Der jüdische Bezug zu Jerusalem wird in dem von den Palästinensern entwickelten Narrativ nicht erwähnt. Dieser reicht jedoch bis weit in die vorantike Zeit zurück. Auch Bethlehem, der Geburtsort Jesu, war bereits in der Vor-Antike Teil des Königreiches Juda. Dass Jesus ein jüdischer Rabbi war, der von seiner Kindheit an in jüdischer Tradition aufwuchs, wird in den Evangelien beschrieben. So wird selbst im Lukas-Evangelium davon berichtet, dass Jesus am achten Tag nach seiner Geburt nach dem damaligen jüdischen Ritus beschnitten wurde (Lk 2, 21). Mit dem neuen arabisch-palästinensischen Narrativ von Jesus als Palästinenser wird der jüdische Bezug zu Jerusalem und dem Land Israel negiert.


Im weiteren Verlauf der Kundgebung konstatierte eine Sprecherin der Organisation „Palästina spricht München“, es würde eine „ethnische Säuberungskampagne“ durchgeführt und der Begriff „Araber“ sei „als Feindbild des politischen Westens und dem globalen Norden zu faschistischer Propaganda“ geworden.


Es ist jedoch festzuhalten, dass zwanzig Prozent der israelischen Bevölkerung arabische Israelis sind, die als gleichberechtigte Staatsbürger in Israel leben. Dies widerspricht der Vorstellung von einer „ethnischen Säuberungskampagne“ oder einem Bild, das Araber pauschal als Feinde betrachtet. Demgegenüber wurden jedoch alle Juden während des arabischen Angriffskrieges auf den neu gegründeten Staat Israel 1948 aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen vertrieben. Aus den arabischen Staaten flohen seit 1948 etwa 850.000 Juden nach Israel.[3] 1948 lebten etwa 75.000 Juden in Ägypten. Im Jahr 2019 waren es nur noch 20 Juden. In Syrien lebten 1948 etwa 30.000 Juden, 2019 waren es nur noch 15 Juden.[4] Jüdinnen und Juden würden sich in Lebensgefahr begeben, wenn sie palästinensische Gebiete betreten würden. Palästinensische Kinder werden im Kindergarten und in der Schule zum Hass auf Israelis und Juden erzogen, in palästinensischen Schulbüchern wird antisemitische Propaganda verbreitet.


Die Sprecherin beendet ihre Rede mit der Bemerkung „man würde meinen, man hätte aus den Fehlern der Geschichte gelernt“ und an den Palästinensern würde ein „Völkermord“ verübt. Die Rednerin zieht hier einen Vergleich zu den NS-Verbrechen, relativiert damit die Shoa und spricht dem Verbrechen der Shoa letztlich den „Status des Singulären, des Präzedenzlosen“ ab.[5] Sie erklärt Juden zu Tätern im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr und dämonisiert und delegitimiert den Staat Israel.


Im Anschluss an die Reden zog die Demonstration noch durch ganz München bis hin zum Karlsplatz/Stachus, wo eine Abschlussrede gehalten wurde. Auch dort wurde Israel als koloniale Nation beschrieben. Während des Demonstrationszuges wurden erneut Parolen gerufen, wie "Widerstand bis zum Sieg" und "Free Palestine", die auf die Vernichtung Israels abzielen.




Verweise


[1] https://www.mena-watch.com/alles-jahre-wieder-jesus-war-palaestinenser/ [2] https://www.mena-watch.com/alles-jahre-wieder-jesus-war-palaestinenser/ [3] https://embassies.gov.il/san-francisco/AboutIsrael/People/Pages/Jews-of-Arab-Lands.aspx [4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1082585/umfrage/juedische-bevoelkerungszahl-in-arabischen-staaten/ [5] Schwarz-Friesel, M., & Reinharz, J. (2013). Textstrategien und Argumentationsmuster. In Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert (pp. 346-398). Berlin; Boston: De Gruyter.

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