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"Die dritte Intifada": Massive Pressefeindlichkeit bei Nakba-Protesten in Berlin


Es waren knapp 300 Personen, die sich am 20. Mai 2023 ab 15 Uhr auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg versammelten. „Jüdische Berliner*innen fordern das Recht auf Erinnerung – auch für Palästinenser*innen!“ war das Motto der Kundgebung, zu der die antizionistische Gruppierung Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (Jüdische Stimme) aufgerufen hatte. Eine ursprünglich geplante Großdemonstration anlässlich des 75. Jahrestages der sogenannten Nakba war, wie viele andere pro-palästinensische Demonstrationen in den letzten Wochen, wenige Tage zuvor verboten worden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte das Verbot am Samstag.


Die Jüdische Stimme


Die Jüdische Stimme wurde 2003 in Berlin als deutscher Ableger der European Jews For A Just Peace gegründet. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von zwölf Organisationen aus neun Ländern, die sich eigenen Angaben nach gegen „all forms of racism, antisemitism and Islamophobia domestically“ wendet. Die Jüdische Stimme ist seit 2007 als gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin tätig und eng mit anderen Organisationen wie Palästina Spricht verbunden. Der Verein unterstützt die antisemitische BDS-Kampagne.

Inhaltlich unterscheidet sich die "Jüdische Stimme" nicht von anderen pro-palästinensischen Gruppierungen.

Den Beteiligten kommt im Zusammenhang mit pro-palästinensischer beziehungsweise israelfeindlicher Agitation in Deutschland eine Sonderrolle zuteil: die der jüdischen Kronzeug:innen. So wird Kritik an Antisemitismus immer wieder mit dem Verweis zurückgewiesen, man habe gemeinsam mit Jüdinnen:Juden demonstriert. Doch dieser Annahme liegt ein Irrtum zugrunde: Auch Jüdinnen:Juden können antisemitisch denken und handeln.


Massive Pressefeindlichkeit und Gewaltaufrufe


Die Veranstaltung am 20. Mai wurde nach etwa einer Stunde durch die Anmelderin für beendet erklärt. Die Polizei hatte begonnen, Einzelpersonen aus einem der Blöcke abzuführen, nachdem Teilnehmende antisemitische Parolen („From the river to the sea, Palestine will be free“) und Gewaltaufrufe („There is only one solution, Intifada, revolution!“) skandierten. Es folgten unübersichtliche Szenen und zum Teil gewaltvolle Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmenden und der Polizei. Während des gesamten Verlaufs der Kundgebung kam es zu Einschüchterungsversuchen und Angriffen auf Pressevertreter:innen. Die Polizei ermittelt auf Amtswegen.


Breites Bündnis zum Nakba-Tag


In der Betrachtung der Anwesenden fiel auf, dass neben Aktivist:innen der Jüdischen Stimme, von Palästina Spricht oder Samidoun, zahlreiche linke Gruppierungen zugegen waren. Dazu gehörten unter anderem Young Struggle, Die Linke Neukölln oder Die Linke.SDS. Diese Beobachtung reiht sich in eine Dynamik ein, die sich seit Längerem schon wahrnehmen lässt. Pro-palästinensische Akteur:innen suchen – nicht ohne Erfolg – vermehrt den Anschluss an linke Strukturen. Das zeigte sich auch in der Mobilisierung für die diesjährigen Nakba-Proteste, an der sich mit Christine Buchholz auch ein Mitglied des Bundesvorstandes der Partei Die Linke beteiligte.

Die ursprünglich geplante Großdemonstration stand unter dem Slogan „Free Palestine from German guilt“. Die damit verbundene Nakba75-Kampagne war eine Reaktion auf Demonstrationsverbote, die im letzten Jahr aufgrund von antisemitischen und pressefeindlichen Ausschreitungen auf mehreren Demonstrationen erlassen wurden.


Schon auf den Veranstaltungen im Jahr 2022 wurden Pressevertreter:innen allein aufgrund ihrer Pressetätigkeit als „Zionistenpresse“ und mit anderen extrem judenfeindlichen Begriffen beschimpft. Zudem wurden sie angepöbelt, bedroht und körperlich angegriffen.


Die Ereignisse hatten ein Verbot aller geplanten Veranstaltungen vom 13. bis 15. Mai zur Folge, die sich thematisch auf die „Nakba“ sowie die damaligen Ereignisse in Israel und den palästinensischen Gebieten bezogen, da erneut mit antisemitischen Vorfällen und Pressefeindlichkeit gerechnet wurde. Das Verbot wurde kontrovers diskutiert.


Kritik angeblich rassistisch motiviert


Ein ähnliches Vorgehen seitens der Gerichte bzw. der Polizei ist auch seit Anfang April diesen Jahres zu beobachten, nachdem es am 8. April in Berlin-Neukölln zu massiven antisemitischen Vorfällen gekommen war. Unabhängig davon, wie die Beurteilung jener Demonstrationsverbote ausfällt, ist auffällig, dass es den Protestbeteiligten, wie im letzten Jahr, nicht gelingt, Antisemitismus in den eigenen Reihen als Problem zu erkennen. Stattdessen weist man jegliche Kritik an antisemitischen oder gewaltvollen Vorfällen als rassistisch motiviert zurück. Das zeigte sich auch am 20. Mai. Pressevertreter:innen wurden, wie bei zahlreichen Kundgebungen in der Vergangenheit, als rassistisch oder rechts diffamiert und bedrängt.





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