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Feindbild USA - Antiamerikanismus als Ressentiment

Aktualisiert: 19. Dez. 2023


Für den 26. November 2022 riefen rechte bis rechtsextreme Akteure zu einer Demonstration für „Frieden, Freiheit und Souveränität” in Leipzig auf. Unter Federführung des vom Verfassungsschutz beobachteten Compact-Magazins und dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer lautete das Motto „Ami go home”. Bei der Auftaktkundgebung vor dem US-Konsulat nahmen laut Polizeiangaben etwa 1.000 Personen teil. Schon am Vorabend fand in Berlin ein Vortrags- und Diskussionsabend zum gleichen Thema statt, an dem neben Elsässer unter anderem auch der Rechtsextremist Andreas Kalbitz (parteilos, ehem. AfD) teilnahm. Auf diese Weise sollte ein möglichst großes Publikum für die Demonstration in Leipzig mobilisiert werden. Angesichts der tatsächlichen Zahl der Teilnehmenden scheint der gewünschte Effekt jedoch ausgeblieben zu sein.


Im Zuge der Mobilisierung versuchte man, die Protestdynamiken der letzten Monate zu nutzen. Im Fokus der Anfeindungen standen dabei stets die USA. Auf einer eigens für die Demonstration erstellten Website nannte Elsässer Deutschland den „51. Staat der USA” und forderte, dass die Deutschen die „Yankees”, wie US-Amerikaner:innen oft abwertend bezeichnet werden, aus Deutschland vertreiben müssten. Auf die Frage, wer die Schuld an Krieg und Krise trage, wird damit verbunden eine eindeutige Antwort geboten. Die USA werden als Aggressor betrachtet und ebenso für die höheren Energiepreise in Deutschland verantwortlich gemacht. Behauptungen wie diese sind nicht erst seit der Demonstration in Leipzig zu erkennen. Das Jüdische Forum beobachtet seit Monaten immer häufiger Plakate oder Redebeiträge auf derartigen Demonstrationen und Versammlungen, in denen antiamerikanische Inhalte transportiert werden. Oft treten sie in Verknüpfung mit rechtsextremen oder verschwörungsideologischen Inhalten auf.


Ursprünge des Antiamerikanismus


In der Ideologie des Antiamerikanismus werden die USA auf extreme und verächtliche Art abgelehnt und teilweise dämonisiert. Dabei wird den USA beispielsweise aggressiver Imperialismus, Kulturlosigkeit, Arroganz oder die Folgen des Kapitalismus zum Vorwurf gemacht. Während die Vereinigten Staaten kurz nach ihrer Gründung im späten 18. Jahrhundert noch als Land des Fortschritts wahrgenommen werden, entwickelt sich in Europa nach und nach eine herablassende und ablehnende Position, die in den USA den negativen Gegenentwurf zur europäischen Kultur sieht. Antiamerikanismus verbreitete sich im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts zunehmend und bildete auch für die NS-Ideologie ein wichtiges Narrativ.


Nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielte Antiamerikanismus vor allem für die deutsche Linke eine zentrale Rolle. Sowohl im staatlichen Antiimperialismus der DDR als auch in der 68er-Bewegung in Westdeutschland waren die USA ein beliebtes Feindbild. Auf Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg etwa wurde der Sprechchor „USA-SA-SS” gerufen (Fücks 2020) und zugleich gefordert, die Stationierung von US-Truppen in der BRD zu beenden. NS-Relativierung und der Wunsch nach Entlastung der deutschen Vergangenheit spielten hierbei keine unbedeutende Rolle.


„Ami go home” wurde zu einem der beliebtesten Slogans der deutschen Friedensbewegung und die Ablehnung der USA wurde mit der Ablehnung von Kapitalismus, Krieg und Imperialismus gleichgesetzt. Dieses antiamerikanische Ressentiment wurde nach dem 11. September 2001 und mit dem US-amerikanischen Militäreinsatz im Irak wiederbelebt und fand in weiten Teilen der Gesellschaft Zuspruch. Zuletzt flammte der deutsche Antiamerikanismus während der amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 erneut auf. Eine Untersuchung des Soziologen Felix Knappertsbusch ergab damals, dass fast 10% der Deutschen eine abfällige Meinung zu den USA haben (Tischendorf 2016). Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des CeMAS ergab zudem, dass prorussische Verschwörungserzählungen in der deutschen Bevölkerung immer mehr Zustimmung erhalten. Weil die USA auch 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges für viele Menschen immer noch den ideologischen Gegenpart zu Russland verkörpern, geht eine unkritische Annäherung an Russland häufig mit einer starken Ablehnung der USA einher.


Antiamerikanismus und Antisemitismus


Antiamerikanismus ist oft eng mit antisemitischen Denkmustern verschränkt und folgt einer ähnlichen Struktur. In beiden Ideologien sind das Geld, der Zins oder die Börse typische Feindbilder. Die Erzählung vom „Finanzkapital der Ostküste” ist ein häufig beobachteter antisemitischer Code, die Wall Street oder New York allgemein ein beliebtes Ziel antisemitischer Agitation. Weitere strukturelle Ähnlichkeiten der beiden Ideologien sind zum Beispiel die Feindschaft gegenüber der Moderne und die Konstruktion eines manichäischen Weltbildes, in dem die USA bzw. ‚die Juden’ das absolut Böse verkörpern. Ähnlich wie in antisemitischen Verschwörungsmythen, wird den USA häufig vorgeworfen, sie würden die Welt unter ihrer Kontrolle halten. Antiamerikanismus wird häufig als Umwegkommunikation genutzt, um in der Öffentlichkeit tabuisierte antisemitische Ressentiments zu äußern. Bei den Anschlägen vom 11. September 2001, die auch das New Yorker Finanzviertel zum Ziel hatten, hat sich die Verknüpfung antiamerikanischer und antisemitischer Ideologie besonders tragisch offenbart.


Antiamerikanismus heute


Heute sind antiamerikanische Ressentiments neben linken antiimperialistischen Demonstrationen häufig auch auf rechten Demonstrationen, wie der in Leipzig, zu finden. Für Rechtsextreme bieten die USA eine gelegene Projektionsfläche, welche sich in ihr Weltbild einfügen lässt. In der Ideologie der Reichsbürger beispielsweise wird fantasiert, dass Deutschland auch heute noch unter amerikanischer Besatzung stehe und kein souveräner Staat sei. Hier kulminieren antiamerikanische Ressentiments mit deutschem Nationalismus, Geschichtsrevisionismus und Verschwörungserzählungen. Der Antiamerikanismus, der in Leipzig zu beobachten war, bediente dieselben Narrative. In der Krise gewinnen antiamerikanische Ressentiments an Zustimmung. Besonders in Kombination mit pro-russischer Propaganda, Fake-News und antisemitischen Verschwörungsideologien liefern sie aktuell eine gefährliche Basis für Hass und Gewalt.

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