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Die AfD zieht zum zweiten Mal in den Deutschen Bundestag ein - Ein Kommentar

Aktualisiert: 27. Okt. 2021


Trotz Stimmenverlusten ist es der AfD das zweite Mal in Folge gelungen in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Die neu gebildete Fraktion setzt sich zu großen Teilen aus Personen zusammen, die als “Flügel”-nah gelten. Zudem stehen der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung hohe Summen staatlicher Förderung bevor.


Die Alternative für Deutschland ist am 26. September 2021 mit insgesamt 10,3% der Zweitstimmen zum zweiten Mal in den Deutschen Bundestag eingezogen. In Anbetracht der mehr als zwei Prozent Verlust der Wähler:innenstimmen im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 (12,6%) bestand anschließend parteiintern Uneinigkeit bezüglich der Beurteilung des Ergebnisses. Besonders deutlich zeigte sich das direkt am Tag nach der Wahl auf einer Pressekonferenz, zu der neben den beiden Spitzenkandidat:innen Alice Weidel und Tino Chrupalla auch Jörg Meuthen erschienen war. In diesem Zusammenhang sprach Meuthen davon, die AfD habe “fast 20 Prozent ihrer Wähler verloren”. Weidel und Chrupalla wiederum interpretierten das Ergebnis auf eine andere Weise und sahen es vielmehr als Indiz für eine solide “Stammwählerschaft”. [1]


Wie auch immer man das Ergebnis der AfD bei der diesjährigen Bundestagswahl nun auslegen mag: Fest steht, dass zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine in Teilen rechtsextreme Partei das zweite Mal in Folge und mit insgesamt 83 bzw. nun mehr lediglich 82 Abgeordneten in das höchste deutsche Parlament eingezogen ist. [2] Hinsichtlich der Wahlergebnisse lassen sich dabei deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern festmachen, so ging man in Thüringen (24% Zweitstimmen) und Sachsen (24,6%) gar als Wahlsiegerin hervor. In anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg wurde jeweils der zweite Platz erreicht. [3] In Rheinland-Pfalz (9,2%) oder Niedersachsen (7,4%) kam man dagegen nicht über ein einstelliges Ergebnis hinaus. Angesichts dessen wird deutlich, dass die Partei im Osten Deutschlands über ein weitaus größeres Wähler:innenpotenzial verfügt, als es in westlichen Bundesländern der Fall ist. So sind dementsprechend gerade jene Fraktionen am erfolgreichsten, die einen besonders radikalen Ruf pflegen - ein Umstand, der nicht folgenlos bleibt.


In den letzten Jahren ist in den Reihen der AfD eine zunehmende Radikalisierung zu beobachten gewesen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass der bereits 2020 formell aufgelöste rechtsextreme “Flügel” noch immer über weitreichenden Einfluss verfügt. Deutlich zu vernehmen war das beim Bundesparteitag in Dresden im April diesen Jahres. Dem Kreis um den Thüringer Landeschef Björn Höcke gelang es dort maßgeblich, das Parteiprogramm zur Bundestagswahl im eigenen, rechtsnationalen Sinne zu beeinflussen. [4] Diese Entwicklung zeichnet sich auch auf personeller Ebene ab: Dem Politikmagazin Monitor zufolge gilt mehr als die Hälfte der frisch gewählten AfD-Fraktion im Bundestag als “Flügel”-nah (43 von 82). [5]



Alles “normal”? Der Wahlkampf der AfD

Die Offenheit gegenüber extrem rechten Inhalten und Akteur:innen ließ sich auch zwei Tage vor dem großen Wahltag bei der offiziellen Abschlussveranstaltung vor dem Schloss Charlottenburg in Berlin am 24. September 2021 erkennen. Anlässlich dessen waren nicht nur die beiden Spitzenkandidat:innen für die Bundestagswahl, Tino Chrupalla und Alice Weidel, vor Ort. Auch Beatrix von Storch, die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker oder Jörg Meuthen waren zugegen. Auffallend war, dass der Auftritt des zweiten - derzeitigen - Bundessprechers der Partei (neben Chrupalla) mit deutlich weniger Applaus quittiert wurde, als der der anderen Parteimitglieder.


“Deutschland. Aber normal.“ – der diesjährige Wahlkampfslogan der AfD fand auch an jenem Tag an einigen Stellen Beachtung, so zum Beispiel als Aufschrift auf Plakaten, die an die rund 350 anwesenden Partei-Anhänger:innen verteilt wurden. Auch in verschiedenen Redebeiträgen wurde des Öfteren auf die Phrase zurückgegriffen, insbesondere dann, wenn der damit verbundenen Aussage eine besondere Tragweite zugeschrieben werden sollte. So verlautbarte bspw. Rüdiger Lucassen, Vorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen, “normal“ sei ein “Europa der Vaterländer“ oder eine “deutsche Sprache ohne Gendersterne und sonstigen Unsinn“. [6] Der Slogan ist zum einen offen interpretierbar für potenzielle Wähler:innen und spricht sich zum anderen für eine Retraditionalisierung politischer Werte aus.


Zur Unterstützung angereist war an diesem Tag auch der Parteinachwuchs, die Junge Alternative für Deutschland (JA). Mit Fahnen und einem eigenen Pavillon ausgestattet, betrieb die durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall für eine extremistische Bestrebung eingestufte Jugendpartei gar einen eigenen Infostand. Neben parteieigenen Merchandise-Produkten wie Stickern oder Kugelschreibern war dort auch eine Auswahl an Lektüre erhältlich, die sich vornehmlich an junge Leser:innen richtet, wie das offizielle Magazin der JA namens “Patria“. Die Auslage bestand jedoch nicht allein aus hauseigenen Produkten. So waren außerdem das mittlerweile eingestellte Magazin “Arcadi“ oder eine Ausgabe des “Hydra Comics“ erhältlich. Dieser wird durch den neurechten Verein “Ein Prozent für unser Land” (Ein Prozent) herausgegeben, der durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ebenfalls als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Der Name des Vereins war auch auf verschiedenen Flyern zu lesen, die die Anwesenden unter anderem dazu ermutigen sollten, sich am Wahltag selbst als “Wahlbeobachter“ zu betätigen. Dass es Verbindungen zwischen JA und extrem rechten Institutionen wie Ein Prozent gibt, ist schon länger bekannt - so offen wie an jenem Tag werden diese jedoch nur selten zur Schau getragen. Umso brisanter wird dieser Umstand durch die Tatsache, dass JA-Politiker:innen einen wesentlichen Anteil der AfD-Bundestagsfraktion ausmachen werden.


Die neue AfD-Fraktion

Bereits kurz nach der Wahl kursierte ein Bild in den Sozialen Medien, das durch den offiziellen Auftritt der JA verbreitet wurde und zudem einen Eindruck vermittelt, mit welchem Selbstbewusstsein der Parteinachwuchs seine eigene Rolle in der neu gewählten Fraktion zu interpretieren scheint. In Fußballfeld-Optik gehalten und begleitet von der Überschrift “Unser JA-Team für den Deutschen Bundestag” sind darauf sieben JA-Politiker zu sehen, die dank des eingefahrenen Wahlergebnisses (erneut) in den Bundestag eingezogen sind. Neben einzelnen von ihnen, die bereits während der vergangenen Legislatur ein Mandat innehatten, wie Andreas Bleck, Sebastian Münzenmaier, Jan Nolte oder Michael Espendiller, zeigt das Bild auch drei neue Bundestagsabgeordnete: Hannes Gnauck, Jan Wenzel Schmidt und Matthias Helferich. [7]

Betrachtet man die Namen, so sind in einigen Fällen Verbindungen zu extrem rechten Institutionen nachzuvollziehen. So war Gnauck bspw. im August Gast eines Livestreams von Ein Prozent, um über “Wahlkampf, Linksextremismus und die Ortskräfte [in den Flutregionen]” zu sprechen. Schmidt wiederum stellte vor einigen Jahren noch in der Rolle als sachsen-anhaltinischer Landtagsabgeordneter den ehem. NPD-Politiker Stefan Träger als Mitarbeiter in seinem Wahlkreisbüro an und betonte in diesem Zusammenhang: “Seine Qualifikation als wissenschaftlicher Mitarbeiter steht für mich außer Frage”. [8] In Person von Sebastian Münzenmaier stellt die JA zudem einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion. Dieser gab in der Vergangenheit unter anderem der als rechtsextremistisch eingestuften Zeitschrift “Zuerst!” ein Interview und wurde außerdem wegen Beihilfe zu einer Schlägerei verurteilt. [9] Die Ehefrau von Jan Nolte ist beim extrem rechten COMPACT Magazin von Jürgen Elsässer als Moderatorin tätig. Die Liste ließe sich an dieser Stelle noch weiter ausführen.


Wie geht’s weiter?

Verbindungen zwischen AfD-Funktionär:innen und extrem rechten Akteur:innen sind trotz vorgeblicher Unvereinbarkeitsbeschlüsse bekannt. Die Entwicklungen der letzten Monate machen allerdings deutlich, dass jene radikalen Kreise parteiintern immer weiter an Einfluss gewinnen. Zuletzt zeigte sich das daran, dass der einigen noch als vermeintlich moderat geltende Jörg Meuthen vor wenigen Wochen verkündete, beim Bundesparteitag in Wiesbaden im Dezember nicht mehr für den Bundesvorsitz zur Verfügung stehen zu wollen. Nach Bernd Lucke und Frauke Petry kommt es nun also zum dritten Mal in der jungen Parteigeschichte dazu, dass sich der radikalste Flügel der Partei durchsetzt.


Wer neben Tino Chrupalla zukünftig als Parteivorsitz fungieren wird, ist, stand jetzt, noch unklar. Fest steht, dass die AfD erneut eine sichtbare Radikalisierung erlebt, was sich auch daran zeigt, dass als möglicher Meuthen-Nachfolger neben Alice Weidel auch der Thüringer AfD-Chef und extrem rechte Hardliner Björn Höcke gehandelt wird. Höcke ist für seine Inhalte hinlänglich bekannt und außerdem Duzfreund von Götz Kubitschek, dessen Institut für Staatspolitik durch den Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextreme Gruppierung” eingestuft wird und das eine zentrale Rolle im Umfeld der sog. Neuen Rechten inne hat. [10]


Die Entwicklung der Partei wird sich auch in der Arbeit der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus Stiftung (DES) bemerkbar machen, die durch den erneuten AfD-Einzug in den Bundestag mit hohen Summen staatlicher Förderung planen kann. Der Stiftung, geleitet durch die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, wird es dann möglich sein, hohe Summen von Steuergeldern in ihre Regelarbeit zu investieren. Diese besteht unter anderem aus Vorträgen von Karlheinz Weißmann oder Stefan Schubert. Weißmann war es, der im Jahr 2000 gemeinsam mit Götz Kubitschek das Institut für Staatspolitik gründete. Schubert wiederum, früherer Hooligan, verfasst Beiträge auf dem extrem rechten Blog Politically Incorrect (PI News). Auch in diesem Fall lässt sich die Liste noch fortführen, so ist bspw. Angelika Barbe, ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und bekannte Akteurin der sog. Corona-Proteste, Kuratorin der DES. Selbiges lässt sich über Marc Jongen sagen, AfD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Auch er pflegt ein enges Verhältnis zum Institut für Staatspolitik mit Sitz in Schnellroda, was ihn im Rahmen einer Rede anlässlich einer dort stattfindenden Akademie dazu bewegte zu sagen: “Schnellroda gehört in das intellektuelle Umfeld der AfD”. [11]


Es bleibt abzuwarten, wie sich die weitere Entwicklung der AfD gestaltet. An vielen Stellen wird jedoch seit geraumer Zeit zunehmend offensichtlich, dass die Hemmschwelle zur extremen Rechten in vielen Fällen kaum noch besteht. Ob auf Partei- oder auf Stiftungsebene gibt es wie angeführt zahlreiche Beispiele, die diese Beobachtung belegen. Ein zentrales Ereignis für den zukünftigen Weg der Partei findet im Dezember statt. Vom 10.-12.12. wird die AfD ihren insgesamt 13. Parteitag in Wiesbaden abhalten.


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