Am Willi-Graf-Gymnasium in Lichterfelde Ost sind sich die Schüler einig – Rassismus hat keinen Platz an ihrer Schule. In der Lernwerkstatt zu Rassismus am 22. und 23. Juni 2016 wurden sie auch für aktuelle Erscheinungsformen von Rassismus und Rechtspopulismus sensibilisiert.

Das Willi-Graf-Gymnasium ist sehr engagiert, die zwei neuen „Willkommensklassen“ in ihre Schule einzubetten und den neuen Schüler_innen einen sicheren Ort ohne Rassismus zu bieten. Seit April 2016 besuchen 24 Schülerinnen und Schüler aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Kolumbien zwei Sprachlernklassen und unternehmen wöchentlich kleine Exkursionen, um die Umgebung der Schule, die Stadt und das Leben in Berlin besser kennenzulernen. Dies nahm die Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mit Hilfe des Lehrers Tobias Kuster zum Anlass, am 22. und 23. Juni Projekttage, rund um die „Willkommensklasse“ zu gestalten. Unsere Lernwerkstatt zum Thema Rassismus war, wie Workshops zu Tanz oder Arabisch-Sprachkursen, frei wählbar.
Den ersten Tag der Lernwerkstatt leiteten Levi Salomon, Sprecher des Jüdischen Forums, Charlotte Struck, Projektkoordinatorin des Projektes „Rassismus in der Mitte treffen“ und Projektmitarbeiter Grischa Stanjek.
Zu Beginn wurde den Schüler_innen verdeutlicht, wie gefährlich Vorurteile und Stereotypen in Bezug auf Rassismus sein können. Die Schüler_innen zählten zunächst harmlose Vorurteile auf, wie „Deutsche essen Kartoffeln und trinken gerne Bier“ oder „Polen trinken Wodka“ und „Italiener essen nur Spaghetti“. Ein Schüler erzählte jedoch auch von einer Situation am Flughafen, wo er bei einem „Turbanträger“ dachte, er könne ein Terrorist sein und ihn daraufhin im Auge behielt. An diesem Beispiel lässt sich veranschaulichen, wie ein Vorurteil in antimuslimischen Rassismus übergeht, nach welchem Muslime mit Kriminellen und Terroristen gleichgesetzt werden. Gerade im aktuellen Flüchtlingsdiskurs ist Hetze gegen Muslime weit verbreitet. Die Lernwerkstatt versucht die Schüler_innen dahingehend aufzuklären, sowie einen kritischen und sensiblen Umgang mit Medien zu üben.
Um den Schüler_innen zu veranschaulichen, wie es ist, aufgrund von Vorurteilen ausgeschlossen zu werden, spielten wir mit einer freiwilligen Schüler_in als „Ausgegrenzte“ das „Ausgrenzungsspiel“. Der Rest der Gruppe lief frei durch den Raum, grüßte sich, redete miteinander, die ausgegrenzte Schülerin wurde dabei komplett ignoriert. Diese versuchte wiederum Kontakt zu den Anderen aufzunehmen – ohne Erfolg. Für die „Ausgegrenzte“ war das keine gute Erfahrung. Sie gab jedoch zu, auch selbst schon Menschen ausgegrenzt zu haben: „Ich kenn das wenn man jemanden nicht mag, man nicht oder nur kurz mit dem redet“. Sich von Menschen, die nicht gemocht werden, abzugrenzen ist verständlich. Problematisch wird es nur, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe ausgeschlossen werden. Das ist Rassismus.
Auf die Frage an eine Schülerin, was sie machen würde, wenn sie auf der Arbeit aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe ausgegrenzt werden würde, antwortet sie, „dann such ich mir eine andere Arbeit“, und ob sie das in Ordnung fände, antwortet sie „warum nicht, wenn sie was gegen mich haben, kann es mir auch egal sein.“ An dieser Stelle war es wichtig, den Schüler_innen zu vermitteln, welche Handlungsmöglichkeiten ihnen bei Diskriminierungen zustehen.
Im zweiten Block, ging es nach einem kurzen Einstieg zur Geschichte des Rassismus um aktuelle Erscheinungsformen und neue rechte Bewegungen. Anhand von eigenem Videomaterial rechtspopulistischer und rechter Bewegungen, wurde verdeutlicht wie beispielsweise die „Identitäre Bewegung“ rassistisch ist, ohne dabei den Begriff „Rasse“ zu verwenden – „Rasse“ wird mit „Kultur“ ersetzt. Rechtspopulisten und neue rechte Bewegungen warnen vor einer „Überfremdung“ der „deutschen Kultur“, deren Grenzen natürlich verhandelt werden. Dass es dabei „DIE deutsche Kultur“ nicht gibt, merkten die Schüler_innen selbst bei dem Versuch diese zu definieren und einzugrenzen.
Am Ende des Tages erzählten einige Schüler_innen mit Migrationshintergrund von ganz persönlich rassistischen Erfahrungen, die sie im Alltag machten. Eine Schülerin berichtete davon, wie ihr gesagt wurde, sie „sei ja gar nicht so schwarz“, sondern eher „hellbraun“. Eine andere erzählte, wie genervt sie sei, dass sie immer wieder gefragt wurde, wo sie herkomme. Beides sind klassische Formen von „positivem Rassismus“, nach welchem nett gemeinte „Komplimente“, „people of colour“ nicht nur auf ihre Hautfarbe reduzieren, sondern auch grundsätzlich angenommen wird, dass jemand mit dunkler Hautfarbe kein Deutscher sein kann. Dass das nervt, konnte durch die persönlichen Erfahrungen der Mitschüler_innen der Gruppe vermittelt werden.
Am zweiten Tag der Lernwerkstatt gestalteten die Schüler_innen zum Thema Anti-Rassismus mit Hilfe von Stiften, Kleber, Scheren und Bildern Plakate. Mit viel Eifer und vielen kreativen Ideen gestalteten insgesamt acht Gruppen sehr aussagekräftige Plakate. Dabei nahmen sie nicht nur Dinge, die sie im Workshop lernten auf, sondern kamen auch auf ganz eigene ausgefallene Ideen wie beispielsweise die beschränkte Sicht eines Nazis in Form seines Gehirns zu veranschaulichen. Insgesamt waren die Schüler_innen klar antirassistisch eingestellt: „Jeder Mensch ist gleich, egal welche Hautfarbe. Mensch ist Mensch und jeder ist auf seine Weise besonders“, so ein Schüler.