Gerhard „Gad“ Beck und seine Zwillingsschwester Margot „Miriam“ wurden am 30.06.1923 in Berlin geboren. Sein Vater, der gelernte Kaufmann Heinrich Beck (1868–1948), kam gebürtig aus Wien, wo sich seine eigentlich aus Galizien stammende Familie angesiedelt hatte. Obwohl Heinrich Beck in einer sehr traditionellen Familie aufwuchs, die untereinander jiddisch sprach und in der das Judentum eine große Rolle spielte, war er selbst kaum religiös. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dem er als Soldat der österreich-ungarischen Armee gedient hatte, zog Beck nach Berlin und betrieb dort selbstständig einen Versandhandel. Er belieferte die Veranstalter großer Bälle und Jahrmärkte. Das Geschäft lief sehr gut, sodass Beck auch trotz der wirtschaftlich angespannten Situation zunächst keine finanziellen Schwierigkeiten hatte.
Gads Mutter, Hedwig Beck, geb. Kretschmar (1895–1981), wuchs in Oderbruch und später in Berlin-Gesundbrunnen auf. Als sie achtzehn Jahre alt war, wurde sie als Telefonistin im Versandgeschäft Heinrich Beck & Co angestellt und verliebte sich in ihren Chef. Ihre streng protestantische Familie versuchte ihr aus religiöser Überzeugung die Ehe mit einem Juden auszureden, einige ihrer Verwandten reagierten auch offen antisemitisch. Bevor sie Heinrich Beck 1920 schließlich heiratete, trat sie zum Judentum über, um die Erwartungshaltung ihrer Schwiegereltern zu erfüllen. Diese wünschten sich, dass ihre Enkelkinder mit jüdischen Traditionen aufwachsen würden. Trotz ihrer Konvertierung zum Judentum war das Verhältnis des Ehepaar Becks zu der Familie in Wien zunächst schwierig.
Ein Jahr nach der Hochzeit bekamen Hedwig und Heinrich ihren ersten Sohn, der jedoch schon wenige Wochen nach der Geburt verstarb. Auch der zweite Sohn, der im Jahr darauf geboren wurde, verstarb bereits im Alter von wenigen Monaten. Trotz der Empfehlung mehrerer Ärzte, aufgrund eines gesundheitlichen Risikos keine weiteren Kinder zu bekommen, brachte Hedwig 1923 schließlich gesunde Zwillinge – Gad und Miriam – zur Welt. Einige Zeit nach der Geburt besserte sich auch das Verhältnis zu der Familie Kretschmar i Wien, mit der sie einige Jahre keinen Kontakt gehabt hatten.
Gad und Miriam wuchsen sowohl mit jüdischen als auch mit christlichen Festen auf und die Hedwigs Familie öffnete sich auch zunehmend dem Judentum. Gad beschrieb sein interreligiöses Aufwachsen später als sehr bereichernd und prägend für sein gesamtes Leben. In besonderer Erinnerung blieb ihm seine Bar Mitzwa Feier im Jahr 1936, zu der alle fünf Schwestern seiner Mutter gemeinsam mit ihren Ehemännern am Gottesdienst in der Synagoge teilnahmen. Da die Familie Beck aufgrund finanzieller Probleme nicht nach Berlin reisen konnte, konnte niemand der Verwandten aus Wien während der Zeremonie einen Segensspruch für Gad aus der Tora lesen. Stattdessen sprach sein Onkel Paul, ein gläubiger Christ, den Segen.
Gad und Miriam wuchsen die ersten Lebensjahre im Scheunenviertel auf, einem einfachen Stadtviertel, das überwiegend von jüdischen Einwanderer:innen aus Osteuropa bewohnt wurde. Später zog die Familie nach Berlin-Weißensee, wo Gad und Miriam 1929 in die Volksschule eingeschult wurden. In seiner Freizeit las Gad viele Bücher und freundete sich außerdem gut mit zwei älteren Klassenkameraden, zwei Brüdern aus einer Sinti Familie, an, die ihn als jüngstes Kind in der Klasse beschützten. Im Juli 1944 traf er einen der Brüder zufällig im Keller eines Restaurants am Kurfürstendamm wieder, in dem sie sich während eines Luftangriffs in Schutz begaben. Sein ehemaliger Schulfreund erzählte ihm, dass er seiner Deportation bisher entgehen konnte.
Da Gad ein sehr guter Schüler war, wurde er bereits nach drei Jahren auf der Grundschule in die fünfte Klasse des Jungengymnasiums in Weißensee versetzt. Zur selben Zeit traten Gad und Miriam einer Gruppe des Deutsch-Jüdischen Jugendrings bei und blieben bis zu der erzwungenen Auflösung im Jahr 1935 Mitglieder. Der Ring zählte zu den ersten Gruppen, die von den Nationalsozialist:innen verboten wurden, da er als eine Vermischung von „arischen“ und jüdischen Jugendlichen und als eine Bedrohung für den Volkskörper angesehen wurde.
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde Gad als eines der wenigen jüdischen Kinder auf der Schule zunehmend mit dem Antisemitismus seiner Mitschüler konfrontiert. So fragte sein Sitznachbar den Klassenlehrer, ob er sich neben ein anderes Kind setzen könne, da Gad nach „schwitzigen Judenfüßen“ stinken würde. Auch in der Nachbarschaft wollten die nicht-jüdischen Kinder nicht mehr mit den jüdischen Kindern spielen.
Später erinnert sich Gad noch genau an jenen Morgen im Frühling 1933, an dem sich alle Schüler das erste Mal zum sogenannten „Fahnenappell“ auf dem Schulhof versammeln sollten. Als er das Klassenzimmer gemeinsam mit den anderen Schülern verlassen wollte, wurde er als einziger Schüler von seinem Lehrer aufgehalten und dazu aufgefordert, im Klassenzimmer zurückzubleiben. Einige Minuten später holte der Lehrer ihn ab und brachte ihn auf den Schulhof, wo er in eine Reihe mit zwölf anderen Schülern – den jüdischen Schülern – gegenüber den etwa 600 „arischen“ Schülern gestellt wurde, die ihnen den Hitlergruß entgegenstreckten und die nationalsozialistische Flagge hissten. Gad ging an diesem Tag weinend von der Schule nach Hause und versuchte seine Eltern davon zu überzeugen, ihn von der Schule zu nehmen. Diese lehnten seine Bitte zunächst ab, weil das Gymnasium einen guten akademischen Ruf genoss und Heinrich Beck großen Wert auf die Bildung seiner Kinder legte.
1934 erlaubten ihm seine Eltern schließlich in Folge zahlreicher weiterer Demütigungen, die er in der Schule erfahren musste, den Wechsel auf ein jüdisches Gymnasium. Später beschrieb Gad seine Gefühle in dieser Zeit folgendermaßen:
„Auf der Jüdischen Schule für Jungen und Mädchen fühlte ich mich auf Anhieb wohl. […] Meine Mutter litt schrecklich unter dem Verlust der gemeinsam aufgebauten christlich-jüdischen Welt. Ich war in unserer Familie der erste, der deutlich machte: Nun bleibt uns nur noch der jüdische Weg, und den gehe ich. Alles, was sich im letzten Jahr am Gymnasium Weißensee an Depressionen angesammelt hatte, löste sich jetzt auf, nein, mehr als das: In mir verstärkte sich die Lust, zu lernen, hereinzuwachsen in eine Gemeinschaft, die mir entsprach, in die ich gehörte und in der meine Integration mit keinerlei Fragezeichen versehen war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt zeigte sich, dass ich kein Einzelgänger oder Einzelkämpfer bin, der sich gern allein in feindlicher Umwelt behauptet, mir ging es immer um Gemeinschaften, um Gruppen, in denen ich etwas ausrichten und bewirken konnte, die mich anerkannten, mit denen etwas aufzubauen war.“
Nur knapp zwei Jahre später mussten Gad und Miriam das Jüdische Gymnasium wieder verlassen. Da es Heinrich Beck untersagt worden war, sein Geschäft weiterzuführen, geriet die Familie in finanzielle Not und konnte sich die Schulbildung für Gad und Miriam nicht mehr leisten. Bereits im Alter von zwölf Jahren begann Gad eine Lehre in der Textilbranche und musste nebenbei als Ladengehilfe bei einem Herrenschneider arbeiten, um seine Eltern finanziell zu unterstützen. Für die Familie begann damit der Zusammenbruch ihres bürgerlichen Lebens. Auch einige ihrer Verwandten, wie Gads und Miriams Cousinen, begannen sich aus nationalsozialistischer Überzeugung immer mehr von der Familie Beck zu entfernen.
Zur selben Zeit erzählte Gad seinem Umfeld von seiner Homosexualität, die seine Eltern ohne Konflikte akzeptierten.
Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich im März 1938 verlor die Familie Beck die österreichische Staatsbürgerschaft, ohne jedoch die deutsche zu erhalten. Heinrich Beck, der seit vielen Jahren, in Deutschland lebte und sich immer als Deutscher gefühlt hatte, war zutiefst erschüttert. Als Staatenlose wurden die Becks dazu gezwungen, ihre Wohnung in Berlin-Weißensee innerhalb von vier Tagen zu verlassen und in ein sogenanntes „Judenhaus“ zu ziehen. Gads Eltern waren wie gelähmt; sein Vater schloss sich für mehrere Tage in das Badezimmer ein und sprach mit niemandem.
Gemeinsam mit seiner Mutter suchte Gad nach einer neuen Unterkunft für die Familie und fand nach vielen Besichtigungen eine kleine Wohnung in einem „Judenhaus“ im Scheunenviertel, in dem auch eine ehemalige Nachbarin der Becks wohnte. Dort lebten sie auf sehr beengtem Raum mit anderen jüdischen Familien und hatten wenig Privatsphäre. Viele ihrer Besitztümer musste die Familie weggeben, es gelang ihnen jedoch auch, einige Gegenstände bei Verwandten unterzubringen. Für Heinrich und Hedwig Beck war der Rückzug in das ärmliche Viertel, aus dem sie sich vor Jahren hochgearbeiteten hatten, zunächst wie ein Schlag. Gad jedoch nahm den Umzug in das ihm sehr gut vertraute Scheunenviertel wie eine Entlastung in der Zeit des Verlustes war.
Nach dem Umzug in das jüdisch geprägte Scheunenviertel verstärkte sich auch Gads Interesse für die jüdische Religion. Er ging regelmäßig mit einem Freund in die Synagoge und begann, die Tora zu lesen. In der Synagoge lernte Gad auch einen der Söhne von Recha Freier, der Gründerin der Kinder- und Jugend-Alija, kennen.
Gads Eltern bemühten sich um Ausreisemöglichkeiten für ihre Kinder in die USA, jedoch ohne Erfolg. Sie verfügten weder über ausreichend finanzielle Mittel noch über spezielle Papiere, die ihnen eine Ausreise erleichtert hätten: „Wir waren eine verarmte jüdische Familie aus dem Scheunenviertel, und die Duldung irgendeines Landes konnten wir uns nicht erkaufen.“
Im Mai 1940 erhielt Gad einen Hachschara-Platz für das Schloss Skaby nahe Königs Wusterhausen, südöstlich von Berlin. In sogenannten Hachschara-Zentren wurden die Jugendlichen mehrere Monate lang auf ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) und die landwirtschaftliche Arbeit in den Kibbuzim vorbereitet. Er zog in ein Wohnheim, das die Organisation Hechaluz auf dem Grundstück errichtet hatte und wurde mehrere Monate lang gemeinsam mit 180 weiteren jungen Männern auf dem Gut ausgebildet. Vormittags arbeitete Gad meistens mit Tieren, nachmittags lernte er Hebräisch und abends besuchte er Kurse über jüdische Traditionen und Bräuche.
Als Gad endlich einen Platz für die Ausreise im Oktober 1940 nach Palästina bekam, war er überglücklich. Doch seine Ausreise scheiterte aufgrund gesundheitlicher Probleme. Eines Morgens kippte Gad plötzlich um und wurde mit einem Riss in der Magenwand, den er sich bei der schweren Tomatenernte zugezogen hatte, in ein jüdisches Krankenhaus in Berlin eingeliefert. Während Gad drei Wochen im Krankenhaus verbrachte, fuhr das Schiff, die „Pacific“, auf dem er einen Platz erhalten hatte, ohne ihn ab. Als das Schiff in den Hafen von Haifa einlaufen wollte, verweigerten die Briten den etwa 1.000 Passagieren an Bord die Einreisegenehmigung. Die Haganah, die jüdische Untergrundmiliz in Palästina, schmuggelte eine Bombe an Bord, die das Schiff seeuntüchtig machen und somit am Auslaufen hindern sollte. Doch die Explosion der Bombe war deutlich größer als geplant und brachte das Schiff zum Kentern. 254 Menschen starben. Die Überlebenden durften in Palästina bleiben und wurden in Kibbuzim untergebracht. Auch Gads Freund Reuwen, mit dem er in Skaby eine intensive Zeit verbracht hatte, befand sich unter den Überlebenden. Nach dem Krieg trafen sich die beiden Freunde in Israel wieder.
Als Gad aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wollte er wieder nach Skaby zurückkehren, doch das Arbeitsamt für Juden setzte ihn stattdessen in einer Karton-Fabrik ein, in der er schwere körperliche Zwangsarbeit verrichten musste. Bei seiner Arbeit kam Gad mit vielen anderen jüdischen Zwangsarbeiter:innen und so auch mit dem jüdischen Widerstand in Kontakt.
Gad und Miriam schlossen sich einer Jugendgruppe der zionistischen Organisation „Hechaluz“ an, die neben der Organisation der Alija verschiedene Formen des politischen Widerstands unterstützte. Die Gruppenmitglieder beschlossen, sich selbst hebräische Namen zu geben – und so wurden aus Gerhard und Margot schließlich Gad und Miriam. Ihr Vater beobachtete die Aktivitäten seiner Kinder mit Sorge, weshalb die Gruppe ihre Treffen nur selten in der Wohnung der Becks veranstaltete. Die Hachschara in Skaby hatte Heinrich Beck akzeptieren können, weil sie legal war, aber er fürchtete schlimme Konsequenzen für das Engagement seiner Kinder in illegalen zionistischen Gruppen.
1941 übernahm Gad eine Führungsrolle in der Hechaluz und koordinierte den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen jüdischen Gruppen und Einrichtungen, die zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin tätig waren. Er war in Kontakt mit dem internationalen Hehaluz-Büro in Genf, das bei Kriegsbeginn ein Hilfs- und Rettungskomitee gegründet hatte.
In der Widerstandsgruppe lernte Gad auch seine erste große Liebe, Manfred Lewin (1922–1942), kennen, dessen Familie nicht weit entfernt von der Familie Beck lebte. Als Zwangsarbeiter musste Manfred durch Kriegseinwirkungen beschädigte Wohnungen renovieren, zuvor lebte er zeitweise im Hachschara-Landwerk Ahrensdorf in Brandenburg. Die Theatergruppe der Hechaluz führte im Sommer 1941 Schillers Drama „Don Karlos“ mit Gad und Manfred in den Hauptrollen auf. Manfred spielte die Titelrolle des Don Karlos, Gad spielte die Rolle des Marquis von Posa.
Als sogenannter „jüdischer Mischling“ blieb Gad zunächst von den Deportationen verschont. Er wurde von der Karton-Fabrik zur Zwangsarbeit an den Stettiner Bahnhof versetzt, wo er bei der Abladung von Kartoffeln half, die für den Winter nach Berlin gebracht wurden.
Auch viele Mitglieder der Hechaluz und anderen Widerstandsgruppen waren bereits Ende 1941 und Anfang 1942 deportiert worden. Jizcak Schwersenz beschreibt in einem Brief von März 1942, wie Erwin Tischauer, durch den Gad zu der Hechaluz-Gruppe gekommen war, bei einem Treffen der Gruppe folgendermaßen auf die laufenden Deportationen reagierte: „[Er] las seiner Gruppe die Namen all derer vor, die uns in den letzten Monaten, seit Beginn der Deportationen, genommen worden waren, und als er jeden Namen vorlas, antworteten die Mitglieder einmütig: ‘Hier’, das heißt, dass auch die Vermissten bei dieser Gelegenheit bei uns waren, denn wir sind in Gedanken immer bei ihnen, so wie sie in ihren Gedanken sicher bei uns sind…“[1]
Im November 1942 wurde auch die Familie Lewin dazu gezwungen, sich in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße zu begeben. Zwischen Juni 1942 und Juni 1943 wurden von dort aus etwa 55.000 Berliner Jüdinnen:Juden in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das KZ Theresienstadt deportiert, danach fungierte das Sammellager als Haftort für untergetauchte Jüdinnen:Juden. Gad berichtet in seinen Lebenserinnerungen von seinem Versuch, Manfred aus dem Sammellager zu retten: Er ging zu dem Vorgesetzten Manfreds und lieh sich von dessen Sohn, der in der Hitlerjugend war, eine Uniform aus. In dieser ging er zum Sammellager und gab sich als Sohn von Manfreds Vorgesetzten aus. Er behauptete, Manfred habe mehrere Wohnungsschlüssel entwendet und müsse nun zur Klärung der Angelegenheit mit zum Betrieb kommen, danach würde er ihn umgehend zurück in das Sammellager bringen. Der Plan funktionierte, der SS-Obersturmbannführer willigte ein. Doch als Gad Manfred aus dem Sammellager begleitete, blieb er plötzlich stehen und sagte mit ruhiger Stimme: „Gad, ich kann nicht mit dir gehen. Meine Familie braucht mich, wenn ich sie jetzt verlasse, werde ich niemals frei sein.“ Dann drehte er sich um und ging in das Sammellager zurück. Es war das letzte Mal, dass Gad und Manfred sich sahen.
Zusammen mit seiner Mutter Jenny, seinem Vater Arthur, seiner 14-jährigen Schwester Cäcilie und seinem zwölfjährigen Bruder Gerd wurde Manfred am 29. November 1942 nach Auschwitz deportiert und dort im Alter von 20 Jahren ermordet. Seine beiden älteren Brüder Rudolf und Siegfried wurden im Februar 1943 ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Niemand aus der Familie Lewin überlebte die Schoah.
Am 17.02.1943 wurde Gad im Rahmen der „Fabrikaktion“ als „jüdischer Mischling“ in einem provisorischen Internierungslager in einem ehemaligen jüdischen Gemeindehaus in der Rosenstraße interniert. Als Fabrikaktion wird die Verhaftung der letzten in Berliner verbliebenen Jüdinnen:Juden bezeichnet, die beispielsweise aufgrund ihrer Zwangsarbeit vor allem in den Berliner Rüstungsbetrieben bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht deportiert worden waren. In dem Internierungslager in der Rosenstraße wurden vor allem jüdische Ehepartner von „Ariern“ untergebracht. „Auf dem Weg dorthin durchlebte ich einen der mutlosesten Augenblicke meines Lebens“ beschreibt Gad seine Internierung in seiner Autobiografie. Auch Miriam, die Zwangsarbeit bei Siemens verrichtete und nur knapp der Deportation nach Auschwitz entging, war in der Rosenstraße inhaftiert. Über eine Woche lang protestieren nicht-jüdische Angehörige der Gefangenen vor dem Gebäude und verließen die Rosenstraße trotz der Androhung von Schüssen nicht. Am 06.03.1943 wurden Gad und Miriam gemeinsam mit den 2.000 anderen Inhaftierten in Folge der Proteste freigelassen.
Nach seiner Freilassung schloss sich Gad im Frühjahr 1943 einer im Untergrund agierenden Gruppe namens „Chug Halutzi“ an, die von Jizchak Schwersenz und Edith Wolff gegründet worden war. Die Gruppe bestand aus etwa vierzig untergetauchten jüdischen Jugendlichen in Berlin, die gemeinsam versuchten, Fluchtwege ins Ausland zu finden und ihre Mitglieder bis zum Sieg der Alliierten sicher zu verstecken. Auch im Untergrund traf sich die Gruppe regelmäßig, um Hebräisch, jüdische Geschichte und zionistische Schriften zu studieren, sowie gemeinsam Feiertage zu feiern. Dank Gads zahlreichen Kontakten zu Christ:innen und Homosexuellen konnte er einige Verstecke für die Mitglieder der Chug Halutzi organisieren und sie so vor den Deportationen bewahren. Auch halfen ihm seine Kontakte bei der Beschaffung von Lebensmitteln.
Nachdem dem Leiter der Gruppe, Jizchak Schwersenz, im Februar 1944 die Flucht in die Schweiz gelang, wurde Gad zum neuen Anführer der Chug Halutzi gewählt. Das internationale Büro der Hechaluz in Genf schickte Geld an die Adresse von Gads Mutter, und Gad leitete es an die illegal Untergetauchten weiter.
Im März 1945 wurden Gad und weitere Mitglieder der Chug Halutzi in einem Versteck der Gruppe im Stadtteil Wedding von SS-Angehörigen verhaftet, die von dem Gestapo-Spitzel Rolf Isaaksohn einen Hinweis erhalten hatten. Gad wurde zum Verhör in das Gestapo-Gefängnis gebracht, wo sich herausstellte, dass sein Vernehmungsbeamter, Erich Moeller, ein ehemaliger Stammkunde von Heinrich Beck & Co war. Gad erinnert ihn daran, wie er früher zusammen mit seiner Schwester Miriam Tabak an den Kiosk von Moeller geliefert hatte. Moeller ließ ihn daraufhin in seine Zelle zurückschicken.
Als Berlin in den darauffolgenden Wochen heftig bombardiert wurde, wurde auch Gads Zelle getroffen. Er wurde mit Verletzungen aus den Trümmern gezogen und in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem er bis zur Befreiung durch die Rote Armee blieb.
Einige Wochen nach dem Krieg verließ Gad Berlin und ging gemeinsam mit einigen Freunden nach München, da er ein Leben unter sowjetischer Besatzung als Jude fürchtete. In München erhielt er von der Hechaluz den Auftrag, die zu diesem Zeitpunkt noch illegale Auswanderung von Jüdinnen:Juden aus den Displaced Persons Camps nach Palästina zu organisieren. Dabei lernte er auch David Ben-Gurion kennen.
1947 wanderte Gad nach Palästina aus, seine Eltern und Miriam folgten ihm wenige Zeit später. In Israel begann Gad sein Psychologie-Studium und arbeitete für „Malben“, eine Institution, die sich um die soziale Integration von Einwanderer:innen aus der Diaspora kümmerte.
In den 1960er Jahren kehrte Gad schließlich nach Europa zurück, wo er sich am Aufbau der Deutsch-Israelische Studentenvereinigung beteiligte und als Zeitzeuge Vorträge und Seminare hielt. Ab 1974 leitete er die Jugendarbeit in der Wiener jüdische Gemeinde ein, später wurde er Leiter der jüdischen Volkshochschule. In Wien lernte er auch seinen Lebenspartner Julius Laufer kennen, mit dem er bis zu seinem Tod zusammenlebte. 1978 kehrte Gad gemeinsam mit Julius nach Westberlin zurück, wo er als Leiter der jüdischen Volkshochschule in Berlin eng mit Heinz Galinski, dem langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zusammenarbeitete. Im Jahr 1995 veröffentlichte er seine Autobiografie „Und Gad ging zu David“ über sein Leben als homosexueller Jude im Untergrund. Bei der Christopher-Street-Day-Parade lief er mit einer israelischen Flagge mit.
Am 24. 06.2012 starb Gad Beck im Alter von 88 Jahren in einem Berliner Altenheim.
Quellen:
Und Gad ging zu David. Die Erinnerungen des Gad Beck 1923 bis 1945. Berlin 1995
Wilfried Löhken/Werner Vathke (Hrsg.): Juden im Widerstand. Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion. Berlin 1939 – 1945. Berlin 1993
Jizchak Schwersenz, Edith Wolff, Shaul Esh: Jüdische Jugend im Untergrund. Eine zionistische Gruppe in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges, Meir and Shem-Tov Printing Press, Tel-Aviv, 1969
Bilder:
Comments