
Am 18. Juli besuchte unser Team die Reformpädagogische Heinrich von Stephan Gemeinschaftsschule, um mit den Schüler_innen über Rassismus, Vorurteile und Neue Rechte Bewegungen zu sprechen.

Mit dem Konzept der Gemeinschaftsschule, hängt der Erfolg der Schüler_innen weit weniger stark davon ab, welche soziale Herkunft die Schüler_innen haben als an anderen Schulen. Die Idee ist, dass Kinder von der ersten Klasse bis zum Abschluss in der zehnten oder 13. Klasse zusammen bleiben und gemeinsam lernen. Sie werden nicht nach Leistungsstärke in Lerngruppen oder Schulformen getrennt. Jedes Kind soll in der Klasse individuell gefördert werden – egal wie intelligent es ist, egal wie arm oder reich, gebildet oder ungebildet seine Eltern sind. Somit waren auch die 20 Schüler_innen der Lernwerkstatt auf unterschiedlichen Bildungsniveaus. Das Thema Rassismus wurde bis dato kaum behandelt und selbst beim Thema Vorurteile schienen viele zunächst nicht zu wissen, was ein Vorurteil ist oder trauten sich nicht etwas Negatives über eine Menschengruppe zu sagen. Ein Schüler erzählte in der Pause, dass er auf einer anderen Schule von drei Schülern, zusammengeschlagen wurde, als er im Unterricht Vorurteile gegenüber Muslimen äußerte, welche die anderen Schüler für seine eigenen hielten und sich angegriffen fühlten. Die Gehemmtheit etwas Falsches zu sagen und auch eine gewisse Schüchternheit lag bei den Schüler_innen der Heinrich von Stephan Schule in der Luft.
Erst nach dem „Ausgrenzungsspiel“ und dem anschließenden Auswertungsgespräch, begannen die Schüler_innen über eigene Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung zu erzählen. Ein Schüler berichtet davon, wie er selbst ausgegrenzt wird, wenn er mit bestimmten Erwachsenen zusammen ist, welche ihn wie im Spiel, schon mal komplett ignorieren. Während hier eindeutig ein Generationskonflikt herrscht, ist die Erfahrung einer anderen Schülerin bulgarischer Herkunft, dem institutionellen Rassismus zuzuordnen: Ihr Vater hatte versucht in einem O2-Shop einen Internet-Vertrag abzuschließen und diesen nicht bekommen. Auch hatte die Familie schon Probleme bei der Wohnungssuche aufgrund ihres bulgarischen Namens. Ein weiterer Schüler, dessen Eltern aus Thailand kommen, erzählte, dass er oft „Reisesser“ genannt wird. Auch wenn er selbst behauptet, es störe ihn nicht, ist es eine klassische Form von Alltagsrassismus, da ihm aufgrund seines asiatischen Aussehens, Eigenschaften zugeschrieben werden, die nichts mit der Realität zu tun haben – Zuhause gibt es nur deutsches Essen. Wie hier zu erkennen ist, muss ein Vorurteil nicht immer negativ sein. Einer Gruppe zugeschriebene Eigenschaften können auch positiv sein, wie beispielsweise „Schwarze können gut singen“ – körperliche Merkmale werden auch hier mit Charakterzügen verknüpft und sind daher ebenso rassistisch. Auch wenn in der Schule versucht wird darauf zu achten, dass keiner ausgeschlossen wird und Integration oberste Priorität hat, wirken Freunde, Familien und Medien auf die Bildung von Vorurteilen ein. Auch wenn die Schüler_innen zu Beginn keine Vorurteile zu kennen schienen, wurde im Laufe der Lernwerkstatt klar, dass sie nicht frei davon sind.
Um die Schüler_innen auch für aktuelle Erscheinungsformen von Rassismus zu sensibilisieren, wurde der Begriff „Rassismus ohne Rasse“ anhand der neurechten „Identitären Bewegung“ behandelt. Die Schüler_innen erarbeitet selbst aus Textauszügen der Selbstbeschreibung der Identitären, warum das Konzept des „Ethnopluralismus“ rassistisch und ausländerfeindlich ist. Ein Schüler beschrieb die Identitären als „Nazis“, die „Angst vor Veränderung und anderen Kulturen“ haben. Auch wenn sich die Identitären von Nazis abzugrenzen versuchen, wird der Begriff „Rasse“ mit „Kultur“ ersetzt, um das Konzept salonfähig zu machen.
Im letzten Teil gestalteten die Schüler_innen mit viel Eifer Collagen zum Thema Rassismus. Sie waren sich einig, dass jeder Mensch, egal welche Hautfarbe, gleichbehandelt werden sollten: „Rassismus ist nicht toll. Man kann keine Menschen diskriminieren wegen ihres Aussehens.“ Auch das Thema Flüchtlinge und „Multi-Kulti“ wurde aufgegriffen und in einer Gruppe kreativ umgesetzt. Sie schnitten das Plakat in Herzform mit den Deutschlandfarben als Rand und fügten in die Mitte des Herzes Fahnen von weiteren Nationalitäten wie beispielsweise Türkei und Griechenland. „Deutschland öffnet sein Herz für alle Nationen, Kulturen und Flüchtlinge“, so eine Schülerin.


Anschließende Plakatausstellung