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Jewish Voice for Peace

Die Jewish Voice for Peace (JVP) (deutsch: Jüdische Stimme für Frieden) ist eine US-amerikanische radikal antiisraelische Gruppierung, die 1996 von Rebecca Vilkomerson gegründet wurde. Die Organisation ruft zu einem vollständigen wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott des israelischen Staates und israelischer Einrichtungen sowie Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung auf. Sie unterstützt offen und aktiv die antisemitische BDS-Bewegung. 

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Obwohl sie sich namentlich ähneln, steht die JVP in keiner unmittelbaren Beziehung zu der im deutschsprachigen Raum tätigen Gruppe „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost”. Allerdings wurde die JVP von der „Jüdischen Stimme” in der Vergangenheit bereits als „Schwesterorganisation” bezeichnet, der „größter Respekt" gezollt werde und mit der man viele politische Ziele teile. [1]

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Die JVP wird häufig von Personen zur Verteidigung gegen Antisemitismusvorwürfe herangezogen, da der Name der Organisation den Eindruck erweckt, man könne nicht antisemitisch sein, wenn man sich auf eine „Jüdische Stimme“ bezieht.

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Doch welche Ideologie vertritt die JVP eigentlich und was sind ihre Ziele? 

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Durch einen näheren Blick auf die Organisation wird deutlich: Die JVP gibt historische Zusammenhänge falsch wieder und ihre Kampagnen zielen nicht im geringsten auf eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts ab, sondern darauf, den israelischen Staat zu delegitimieren und das Judentum zu dämonisieren. Die JVP verbreitet die Behauptung, dass die israelische Politik durch einen angeblichen tief verwurzelten jüdischen Rassenchauvinismus motiviert und Palästinenser:innen lediglich Opfer der israelischen Politik und niemals Täter:innen seien. Daher verurteilt die JVP grundsätzlich nur Handlungen der israelischen Regierung, wobei Sicherheitsmaßnahmen oftmals aus dem jeweiligen Kontext entrissen und fehlerhaft dargestellt werden, niemals aber werden Handlungen der palästinensischen Autonomiebehörde oder der islamistischen Hamas kritisiert. Im Gegenteil – Die JVP verteidigt und verherrlicht Terrorismus und Attentate auf Zivilist:innen. In ihren Beiträgen und Kampagnen bedient sie sich zahlreicher klassischer antisemitischer Verschwörungsmythen und Narrative.

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Auf der FAQ Rubrik ihrer Website, auf der die JVP ihre Positionen und Ziele erläutert, legt die JVP zunächst dar, dass „ein gerechter und umfassender Frieden zwischen Israelis und Palästinensern nur durch die Anerkennung der Nakba von 1947–9 möglich ist, die zur Entstehung von Millionen palästinensischer Flüchtlinge geführt hat.“ [2] Damit bezieht sich die JVP auf den Mythos der sogenannten Nakba, der die Erzählung wiedergibt, dass Israel einen Krieg gegen die arabischen Nachbarstaaten begonnen habe, vor dem die palästinensische Bevölkerung fliehen musste. 

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Dies entspricht allerdings nicht der historischen Realität: Der israelische Staat wurde am 14. Mai 1948 auf der Rechtsgrundlage des Völkerbundsmandat für Palästina gegründet. Nur wenige Stunden nach der Staatsgründung griffen die Armeen von Syrien, Libanon, Transjordanien, Ägypten und Irak den neu gegründeten Staat in der Absicht an, ihn zu vernichten. Die Erzählung der Nakba stellt jedoch Israel als den Aggressor dar, der den Krieg begonnen hätte. In einem Artikel, den die JVP 2016 veröffentlichte, bezichtigt sie den jüdischen Staat dazu, im Zuge seiner Staatsgründung ethnische Säuberungen an der palästinensischen Bevölkerung verübt zu haben. 

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Gleichzeitig wurden hunderttausende Jüdinnen:Juden in ihren arabischen Heimatländern zur Flucht gezwungen, da sie vertrieben und Pogrome gegen sie verübt wurden. Etwa 520.000 dieser rund 850.000 aus arabischen Staaten vertriebenen Jüdinnen:Juden wurden von Israel aufgenommen. Seitens der arabischen Staaten erhielten sie keine Entschädigung oder ein Recht auf Rückkehr. Die JVP lässt diesen Aspekt in ihrer Darstellung vollkommen außer Acht.

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Schon Jahrzehnte zuvor ist es in den arabischen Staaten immer wieder zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen. Die aktuelle historische Forschung hat immer wieder herausgestellt, dass Jüdinnen:Juden in der arabischen Welt bereits vor der Staatsgründung Israels im Nahen Osten keinesfalls in Sicherheit lebten. Die JVP verbreitet jedoch die historisch falsche Behauptung, dass Jüdinnen:Juden, Muslim:innen und Christ:innen im Nahen Osten vor der Staatsgründung Israels in friedlicher Koexistenz lebten.

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Nach eigenen Angaben auf ihrer Website spricht sich die JVP weder explizit für eine Ein-Staat-Lösung, noch für eine Zwei-Staaten-Lösung des Nahostkonflikts aus, sondern möchte „jede Lösung unterstützen, die mit den vollen Rechten sowohl der Palästinenser als auch der israelischen Juden vereinbar ist.“ [2] Das Konzept der Zwei-Staaten-Lösung sieht einen israelischen und einen palästinensischen Staat vor, die nebeneinander existieren. Nach der Ein-Staat-Lösung soll ein einziger Staat bestehen, der aus Israel, dem Westjordanland und – je nach Konzept – dem Gaza-Streifen gebildet wird. 

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Dies wird aus verschiedenen Gründen sowohl von einer Mehrheit der Israelis als auch von einer Mehrheit der Palästinenser:innen abgelehnt. In Israel wird die Ein-Staat-Lösung vor allem deswegen kritisch gesehen, weil Jüdinnen:Juden eine Minderheit in einem solchen binationalen Staat darstellen würden. Der Staat Israel ist der einzige jüdische Staat der Welt und somit der einzige Schutzort für Jüdinnen:Juden, in dem sie sich dauerhaft mit einer eigenen Armee gegen den antisemitischen Vernichtungswahn verteidigen können. Somit stellt das Konzept eine Bedrohung der Existenz Israels und des jüdischen Volkes dar.

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Nur wenige Sätze danach erklärt die Organisation zudem, dass sie sich, analog zu den Forderungen der BDS-Bewegung, für ein Rückkehrrecht aller palästinensischen Flüchtlinge, die 1948 aus Israel geflohen sind, und deren Nachkommen einsetzt. Dies würde bedeuten, dass 5,7 Millionen Palästinenser:innen in den israelischen Staat eingebürgert werden würden, der derzeit 6,7 Millionen jüdische Einwohner:innen und 1,9 Millionen nicht-jüdische Einwohner:innen hat. Dies würde das Ende eines mehrheitlich jüdischen Staates bedeuten. Eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem mehrheitlich jüdischen Staat und einem palästinensischen Staat schließt die JVP als Lösung des Konfliktes also entgegen ihrer oben genannten geäußerten Behauptung eindeutig aus.

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Doch wenn die JVP – so muss man aus ihren Angaben schlussfolgern - eine Zwei-Staaten-Lösung deutlich ablehnt, warum befürwortet sie dann nicht explizit eine Ein-Staat-Lösung? Schaut man genauer hin, wird der Grund schnell klar: Die BDS-Bewegung veröffentlichte auf ihrer Website einen Artikel über die JVP und ihre Vorsitzende Rebecca Vilkomerson mit dem Titel: „Die Jüdische Stimme im Herzen der Boykott-Israel-Bewegung“, in dem es unter anderem heißt: „Die JVP (...) unterstützt diejenigen, die Israel Schaden zufügen oder es sogar auslöschen würden, wenn es möglich wäre.” [3] Damit wird deutlich: Die JVP bestreitet nicht nur das Existenzrecht Israels, sondern scheint auch kein Problem mit gewaltvollen Vernichtungsphantasien gegenüber dem jüdischen Staat zu haben.

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Deutlich zum Ausdruck bringen dies auch zahlreiche Beiträge der Organisation. In einem Beitrag, den die JVP im Dezember 2020 auf ihrem Twitter-Account veröffentlichte, werden Portraits palästinensischer Terrorist:innen abgebildet und mit dem Schriftzug „L’Chaim Intifada!” [4] verehrt. Als Intifada werden eine Reihe gewalttätige politisch organisierte Aufstände von Palästinenser:innen gegen die israelische Zivilbevölkerung bezeichnet. Während der ersten Intifada (1987 - 1991/93) wurden 3.100 Israelis, davon 1.400 Zivilist:innen ermordet, im Zuge der zweiten Intifada (2000 - 2005) waren es je nach Quellenlage etwa 1.100, darunter etwa 800 Zivilist:innen. Mit ihrem Beitrag bezieht sich die JVP also positiv auf die Ermordung von Zivilist:innen.  

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Zu den Terrorist:innen, die die JVP regelmäßig als „Widerstandskämpfer:innen” verehrt, zählen unter anderem Rasmea Odeh, die im Jahr 1969 Sprengstoff für zwei Bombenanschläge in Jerusalem gelegt hatte, Marwan Barghouti, einer der Anführer der zweiten Intifada und verurteilter Mörder, sowie Leila Chaled, führendes Mitglied der PFLP und Beteiligte an zwei Flugzeugentführungen (1969 und 1970). Mit letzterer veranstaltete die JVP sogar ein Online-Panel auf Zoom und übertrug dieses auf Facebook und Youtube, woraufhin die Plattformen das Video löschten. Die JVP verbreitete daraufhin den Hashtag #stopcensoringpalestine.. [5]

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Neben den antisemitischen Vernichtungsphantasien, die die Organisation äußert, verbreitet sie in zahlreichen Beiträgen und Kampagnen auch antisemitische Verschwörungsideologien und bedient sich klassischer antisemitischer Zuschreibungen.

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Vor allem der Mythos der jüdischen Übermacht ist tief in den Positionen, Kampagnen und Beiträge der JVP verankert. Besonders deutlich wird dies in ihrer Sichtweise auf die israelische Politik und den Zionismus. Die JVP verbreitet die Behauptung, dass der Zionismus eine grundsätzlich rassistische Bewegung und die israelische Politik durch tief verwurzelten jüdischen Rassenchauvinismus motiviert sei. 

 

Im Jahr 2018 veranstaltete die JVP zum Beispiel ein Online-Panel mit dem Titel: „Toxic Stew: Zionism, Antisemitism, and White Supremacy (deutsch: Der giftige Eintopf: Zionismus, Antisemitismus, und White Supremacy)”. Die Formulierung „giftiger Eintopf” lässt aufhorchen, stellt sie doch kein geflügeltes Wort dar. Sie kann leicht eine Assoziation zu dem weit verbreiteten mittelalterlichen Verschwörungsmythos wecken, in dem Jüdinnen:Juden dazu bezichtigt wurden, Brunnen zu vergiften um dadurch Krankheiten zu verbreiten. Das antisemitische Motiv wirkte auch nach der Pestepidemie bis heute weiter, indem Jüdinnen:Juden mit Gift in Verbindung gebracht werden und die Erzählung stets den zeitlichen Gegebenheiten neu angepasst wird.

 

Eine der Rednerinnen des Panels definierte Zionismus als „weiße Vorherrschaft, Apartheid, Völkermord und ethnische Säuberung.” [6] Eine andere Rednerin bediente das Motiv der jüdischen Übermacht noch deutlicher, indem sie die haarsträubende Behauptung aufstellte, dass es eine „reale und begriffliche Verbindung zwischen dem Zionismus und der amerikanischen weißen Vorherrschaft” [6] gebe. Derartige Aussagen zeigen auf, dass die JVP sich an keinerlei Fakten orientiert, sondern lediglich den Mythos der jüdischen Weltverschwörung und der Jüdinnen:Juden als Unterdrücker der Welt verbreitet. Noch deutlicher zum Ausdruck brachte dies Cecilie Surasky, zu damaligem Zeitpunkt stellvertretende Direktorin der JVP, in einer Rede an der Portland State University im Jahr 2015: Sie sprach in ihrer Rede davon, dass die „US-Außenpolitik von einer allmächtigen jüdischen Lobby gekapert wurde”. [7]

 

Des Weiteren behauptete sie, dass die jüdischen Religionslehre „auf einem System rassischer und ethnischer Überlegenheit beruht” und als göttliche Rechtfertigung für „ethnische Säuberung, sogar Völkermord” [7] interpretiert werden sollte. Dadurch, dass das jüdische Volk in der Tora als „auserwähltes Volk” beschrieben wird, würde das Judentum andere Völker als untermenschlich ansehen. Dies ist keine rabbinische Auslegung der Tora, sondern eine rein antisemitische Deutung, die den Topos der jüdischen Weltverschwörung bedient und das Judentum als das Übel der Welt ansieht. Die sogenannte „Segulah”-Natur des jüdischen Volkes stellt nach allen rabbinischen Auslegungen explizit keine Überlegenheitserklärung gegenüber den anderen Nationen der Welt dar.

 

Den Vorwurf, dass Israel ethnische Säuberungen oder gar einen Genozid an den Palästinenser:innen verüben würde, äußert die JVP regelmäßig in ihren Beiträgen. Die arabischen Israelis haben als Staatsbürger:innen Israels dieselben Rechte wie die jüdischen Israelis und dürfen ihre Religion ebenso frei ausleben. Wenn die israelische Armee auf den Raketenbeschuss seitens der terroristischen Hamas reagiert, warnt sie palästinensische Zivilist:innen vor Angriffen auf militärische Ziele, um zivile Opfer so gut wie möglich zu vermeiden. 

 

Die israelische Politik gegenüber den Palästinenser:innen als ethnische Säuberungen oder als Genozid zu beschreiben, ist daher nicht nur schlichtweg falsch, sondern dämonisiert Israel auf perfide Weise und relativiert zudem das Leid von Bevölkerungsgruppen, die tatsächlich ethnischen Säuberungen ausgesetzt sind oder waren, wie beispielsweise die Rohingya in Myanmar.

 

Oft geht der geäußerte Vorwurf zudem mit einer Täter-Opfer-Umkehr einher. Wenn die JVP in ihren Beiträgen islamistische Terrorist:innen mit Widerstandskämpfer:innen aus dem Nationalsozialismus gleichsetzt, erfolgt automatisch auch eine Gleichsetzung des israelischen Staates mit dem nationalsozialistischem Regime. Diese Form der Holocaust-Realtivierung ist eine antisemitische Täter-Opfer-Umkehr, in der Jüdinnen:Juden als damalige Opfer und heutige Täter:innen dargestellt werden. Die JVP knüpft damit an ein weit verbreitetes Ideologem des Post-Shoa-Antisemitismus an, der jüdischen Überlebenden des Holocaust und ihren Nachfahren unterstellt, „von Opfern zu Tätern“ geworden zu sein. Die Behauptung, dass Israel eine Politik führe, die genauso schlimm oder schlimmer sei als die der Nationalsozialist:innen, ist vor allem für die Nachfahren von den damaligen Täter:innen eine weit verbreitete Entlastungsstrategie. 

 

Häufig betreibt die JVP auch eine Täter-Opfer-Umkehr, indem sie jegliches Fehlverhalten der palästinensischen Autonomiebehörde als ein angebliches Fehlverhalten Israels darstellt. 

 

Ein Beispiel dafür ist eine Kampagne der JVP aus dem Jahr 2021, in der Israel „medizinische Apartheid“ unterstellt und behauptet wird, dass Israel sich gegen seine völkerrechtliche Pflicht weigere, Palästinenser:innen im Westjordanland und im Gaza-Streifen gegen das Coronavirus zu impfen. Laut den Osloer Verträgen ist Israel allerdings nur dafür verantwortlich, seine eigenen Staatsbürger:innen zu impfen und hat diesen unabhängig ihrer Herkunft und Religion ein Impfangebot bereitgestellt. Darüber hinaus hat der israelische Staat, obwohl er rechtlich nicht dazu verpflichtet ist, auch Palästinenser:innen mit einer Arbeitserlaubnis in Israel sowie in anderen Fällen Impfstoffe zur Verfügung gestellt. Die palästinensische Autonomiebehörde ist selbst für die Gesundheitsversorgung ihrer Bürger:innen verantwortlich und drückte zu Beginn der Pandemie auch deutlich aus, dass sie die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Impfstoff eigenständig übernehmen werde.

 

Die israelische Regierung dafür verantwortlich zu machen, dass das Impfprogramm im Westjordanland, unter anderem auch aufgrund der Korruption der palästinensischen Behörden, sehr langsam durchgeführt wurde und Israel eine „medizinische Apartheid“ vorzuwerfen, ist eine Strategie der JVP, den israelischen Staat für alle Probleme der Palästinenser:innen verantwortlich zu machen, ungeachtet der Fehlversagen der palästinensischen Autonomiebehörde.

 

Mit anderen Kampagnen versucht die JVP noch deutlicher linke und progressive Gruppen zu erreichen, indem sie ihre Ziele als anti-rassistisch ausgibt.

 

Seit 2017 betreibt die JVP beispielsweise eine Kampagne namens „Deadly Exchange” (deutsch: „Tödlicher Austausch“), mit der sie Israel auf verschwörungsideologische Art und Weise für rassistische Polizeibrutalität in den USA verantwortlich macht.

 

Die Kampagne richtet sich gegen amerikanisch-jüdische Organisationen, insbesondere gegen die Anti-Defamation League (ADL), die Austauschprogramme mit amerikanischen und israelischen Polizist:innen organisiert. Auf diesen tauschen sich amerikanische und israelische Polizeichefs gemeinsam über Sicherheitsherausforderungen aus, vor allem im Bereich der Terrorismusbekämpfung.

 

Die JVP behauptet, dass die israelische Polizei die amerikanischen Polizist:innen während dieser Programme darin ermutigt, diskriminierende und brutale Polizeipraktiken anzuwenden, sowie rassistische Profilerstellung, Massenüberwachung und tödliche Gewaltanwendung zu verstärken. Die Kampagne gibt Israel und jüdischen Organisationen die Schuld an staatlicher und rassistischer Polizeigewalt und an vielen Todesfällen. Konkret benannt wird allerdings nur ein Fall - die Ermordung von Michael Brown im Jahr 2014 in Ferguson, Missouri. „Der ehemalige Polizeichef von St. Louis County, Timothy Fitch, hat drei Jahre vor der Ermordung von Michael Brown und dem Aufstand in Ferguson mit dem israelischen Militär trainiert“, [8] heißt es in einem Video der JVP. Fitch besuchte 2011 ein einwöchiges von der jüdischen Organisation ADL gesponsertes Anti-Terror-Seminar in Israel und ging im Januar 2014 in den Ruhestand. Michael Brown wurde im August 2014, also ein halbes Jahr nach der Pensionierung erschossen - und das von einem Polizeibeamten, der für eine ganz andere Polizeibehörde arbeitete als die, die Fitch leitete. Es gibt also keinerlei Zusammenhang zwischen dem Anti-Terror-Seminar, das Fitch besuchte und der Ermordung von Michael Brown. Und indem die JVP eine jüdische Institution bewusst fälschlicherweise für die rassistische Ermordung eines Schwarzen verantwortlich macht, handelt es sich um Antisemitismus.

 

In einem mittlerweile gelöschten Video, dass die JVP hochgeladen hatte, wird dies noch deutlicher zum Ausdruck gebracht: Die Logos mehrerer jüdischer Organisationen wurden eingeblendet, die durch Linien mit einer nicht identifizierten Institution in der Mitte verbunden waren. Sehr leicht ruft dies die Assoziation einer geheimen jüdischen Weltverschwörung auf.

 

Die Vorwürfe, die in der Kampagne geäußert werden, haben keinerlei Anhaltspunkte und sind rein erfunden. In einem Artikel wird sogar die Behauptung aufgestellt, dass die Austauschprogramme eine Bedrohung für Native Americans darstellen, da auf den Seminaren „neuen Methoden der Auslöschung indigener Völker durch rassistische Polizeikräfte“ [9] beigebracht werden. Israel wird - als stellvertretendes Kollektiv von Jüdinnen:Juden – unterstellt, rassistische Diskrimnierung anderer Minderheiten in den USA zu fördern und sogar systematisch die Ermordung von Angehörigen anderer Minderheiten zu planen. 

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Die Strategie, die die JVP mit diesen Kampagnen verfolgt, ist eine Anbiederung an antirassistische und Social Justice Bewegungen. Indem die JVP mit derartigen Kampagnen vorgibt, für Antirassismus und soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, kann sie an antirassistische Bewegungen anknüpfen und dort antisemitische Inhalte verbreiten. 

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Die antisemitische Erzählung der JVP, dass Judentum und Zionismus Rassismus fördern würden, betont die Organisation auch in vielen Social Media Beiträgen, in denen sie ihre Inhalte einer jungen und aktivistischen Internetsprache anpasst. In einem Beitrag, den die Organisation im November 2021 auf Instagram veröffentlichte, ist ein Pappschild abgebildet, auf dem in einem bunten Schriftzug  geschrieben steht: „You cannot be anti-racist & zionist“. [10] Die visuelle Aufmachung erinnert an übliche Darstellungsweisen die aus Kontexten bekannt sind, die sich für Vielfallt und gegen jegliche Formen von Diskriminierung einsetzen.

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Stattdessen enthält der Beitrag jedoch die Botschaft, dass der Wunsch nach einem jüdischen Staat rassistisch sei. Zionismus ist ein Bestandteil der religiösen oder auch nicht-religiösen Identität vieler Jüdinnen:Juden. Mit ihrem Beitrag diffamiert die JVP somit eine große Mehrheit von Jüdinnen:Juden als rassistisch.

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Im öffentlichen Diskurs findet die JVP vor allem Beachtung, wenn sich Personen in Berufung auf eine „Jüdische Stimme“ von Antisemitismusvorwürfen freizusprechen versuchen. 

Eine Organisation, die den Namen „Jewish Voice for Peace“, trägt, impliziert, dass sie eine jüdische Sichtweise vertritt und friedliche Ziele verfolgt, daher eignet sie sich zur Verteidigung der eigenen Person: Wenn man sich auf eine jüdische Organisation beziehe, kann man doch gar nicht antisemitisch sein – so die Logik.

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Doch, das ist sehr wohl möglich. Abgesehen von der Tatsache, dass viele Mitglieder der JVP nicht jüdisch sind, immunisiert auch die eigene Identität nicht davor, diskriminierende Vorstellungen und Ideologien, die eigentlich auch die eigene Person betreffen, selbst zu reproduzieren. Eine potenziell von Rassismus betroffene Person kann sich genau so rassistisch äußern, wie eine potentiell von Antisemitismus betroffene Person sich antisemitisch äußern kann.

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Wenn sich Personen mit der JVP gegen Antisemitismusvorwürfe verteidigen, dann verteidigen sie sich mit einer Organisation, die Fake News verbreitet und historische Sachverhalte bewusst fehlerhaft darstellt; die Israel auslöschen möchte und Terrorismus verherrlicht; die sich antisemitischer Narrative und Verschwörungsideologien bedient und dem Judentum seine Daseinsberechtigung abspricht, indem sie es als Gefahr für die Menschheit und das Übel der Welt darstellt.

 

[1] https://www.juedische-stimme.de/2018/01/22/open-letter-to-gilad-erdan/

[2] https://www.jewishvoiceforpeace.org/faq/

[3] https://bdsmovement.net/news/jewish-voice-heart-boycott-israel-movement

[4] https://twitter.com/bullfrog35/status/1336498673568509955/photo/1

[5] https://www.jewishvoiceforpeace.org/2020/09/zoom-facebook-youtube-censor-palestinians/

[6] https://www.youtube.com/watch?v=g8igBGc9FAQ&t=1226s

[7] https://www.jewishvoiceforpeace.org/2015/03/settler-colonialism-white-supremacy-and-the-special-relationship-between-the-u-s-and-israel/

[8] https://deadlyexchange.org/participant-profiles/

[9] https://deadlyexchange.org/no-deadly-exchange-demand-change-standing-us-israel-police-exchange-programs/

[10] https://www.instagram.com/p/CWLsZ04LCf2/

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